Die Elektromobilität gilt in Politik und weiten Teilen der Wirtschaft als zentrales Element bei der Dekarbonisierung des Mobilitätssektors. In der Gesellschaft wird sie jedoch aufgrund zentraler Aspekte wie Ressourcenbedarf, Reichweite, Ladezeit und Ladeinfrastruktur von vielen auch nach wie vor mit Skepsis betrachtet. Insbesondere der Rohstoffeinsatz mit Lithiumtagebau in Südamerika oder dem Abbau seltener Metalle, wie Kobalt in Afrika und anderen Ländern, aber auch der CO2-Fußabdruck der Batterieherstellung sorgen für kritische Fragen in der Öffentlichkeit. Daher komme dem Batterierecycling eine entscheidende Rolle mit Blick auf die Akzeptanz dieser Technologie zu, sagt Dr. Reik Laubenstein, Scientific Engineer im Materials Science Lab der IAV GmbH.
Nachhaltige Batterien entscheidend für Energie- und Verkehrswende
In der Politik hat man eine ähnliche Sichtweise: „Nachhaltige Batterien sind entscheidend für eine erfolgreiche Energie- und Verkehrswende, die sich an hohen Umwelt- und Sozialstandards orientiert“, sagte kürzlich Michael Kellner. Laut dem Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sind deshalb geschlossene Rohstoffkreisläufe bei Batterieproduktion das Ziel.
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem sogenannten Batteriepass, der die Anforderungen der kommenden EU-Batterie-Regulierung erfüllt, die ab 2026 für alle neu angeschafften Batterien in Fahrzeugen, stationären Speichern und größeren Industriebatterien in Deutschland und Europa verpflichtend sein soll. Diese wird derzeit im europäischen Trilogverfahren abgestimmt.
„Dem Batterierecycling kommt eine entscheidende Rolle mit Blick auf die Akzeptanz dieser Technologie zu,“ sagt Reik Laubenstein.
Konstruktion und Performance im Vordergrund
Für dieses Ziel verweist Staatssekretär Kellner auf den Aufbau von Recyclingkapazitäten und die Entwicklung innovativer Verfahren zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus Lithium-Ionen-Batterien als zentralen Hebel. Doch die aktuelle Ausgangssituation ist problematisch, wie Constantin Wolf vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS konstatiert. „Aktuelle Traktionsbatterien werden ausschließlich nach Konstruktions- und Performancekriterien designt“, bilanziert Wolf.
Da die Nutzungsdauer der Batterien mit zehn bis 15 Jahren angegeben werden, liegen die Probleme zum Lebensende der Batterie beziehungsweise des Fahrzeuges eventuell außerhalb des Planungszeitraumen der Hersteller, mutmaßt er.
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Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Batteriesystemen
Das Fraunhofer IKTS ist zurzeit an Forschungsprojekten zur Verbesserung der Prozesstechnik, der Digitalisierung, dem recyclinggerechten Design und der Lebenszyklusanalyse beteiligt. Viele dieser Projekte unterliegen dem Dachkonzept 'Forschungsfabrik Batterie' des Bundesforschungsministerium und hier dem Kompetenzcluster 'Recycling/Grüne Batterie'.
So werden etwa im Projekt 'DIGISORT' Daten eines Recyclingstromes in einer Windsichteranlage zum Klassieren eines Partikelgemisches erhoben. Dies gelingt durch Bild- und hypersprektrale beziehungsweise spektroskopische Informationen. Der Eingangsstrom sind geschredderte Batteriezellen, Ausgangsstrom sind im Idealfall reine Stofffraktionen. Im Projekt ReDesign arbeitet man an einer holistischen Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Batteriesystemen. Hierbei werden eigens Traktionsbatterien, deren Module und Zellen gängiger Fahrzeugmodelle demontiert und auf Design-Schwachpunkte hin untersucht.
„Um Elektromobilität ressourceneffizienter zu gestalten, darf man nicht nur von der stofflichen Verwertung sprechen", sagt Adam Stanislaw Balinski.
Hochvoltbatterie ist teuerste Komponente im E-Fahrzeug
Auch beim Engineeringunternehmen IAV sieht man bei den aktuellen Batteriekonzepten Veränderungsbedarf in puncto Recyclingfähigkeit. „Die Hochvoltbatterie ist die teuerste Komponente im E-Fahrzeug. Daher nutzen Hersteller bestimmte Maßnahmen, wie eine hohe Funktionsintegration und einfache Verbindungstechniken, wie Kleben oder Schweißen, um die Herstellungskosten so niedrig wie möglich zu halten“, analysiert Laubenstein die Hindernisse bei der Demontierbarkeit von Batterien. Hinzu kämen unterschiedliche Bauformen von Zellen und Zellmodulen.
Herausforderungen für ein effizientes Recycling von Altbatterien
Laubenstein nennt verschiedene Punkte, die erfolgreiche Konzepte hinsichtlich Wiederverwertbarkeit auszeichnen:
- Einfache und automatisierbare Demontierbarkeit, um Vorsortierung verschiedener Materialfraktionen zu ermöglichen
- Standardisierung der geometrischen Rahmenbedingungen für eine möglichst einheitliche Recyclinganlagentechnik
- Standardisierte Anschlüsse für automatisiertes Tiefentladen vor dem Recycling
- Vollautomatisierung des Recyclingprozesses
- Vollumfängliche Rückgewinnung der enthaltenen Rohmaterialfraktionen in Primärqualität
- Aufbau einer standardisierten Datenbank für jede Batterie bzgl. Zelltyps, Materialzusammensetzung etc. für eine vereinfachte Sortierbarkeit der Batterien
- Erhöhung der Recyclingquote für End-of-Life-Lithium-Ionen-Batterien durch Aufbau eines sicheren, dezentralen Transportnetzes sowie von Sammelstellen
- Förderung und Kennzeichnung des Einsatzes von recycelten Materialien.
Auftrennung der 'schwarze Masse' von E-Auto-Batterien
Die Recyclingfähigkeit heutiger E-Auto-Batterien hängt stark von der jeweiligen Komponente ab. Wertvolle Metalle lassen sich mit 'klassischen' Recyclingmethoden wie Pyrolyse und Hydrolyse mit sehr guten Effizienzen im Bereich von 90 Prozent und darüber zurückgewinnen. Dabei wird die aus den Kathoden-Materialien Nickel, Kobalt, Mangan, Lithium und Graphit bestehende sogenannte 'schwarze Masse' entweder durch hydrometallurgische oder pyrometallurgische Verfahren in die einzelnen Bestandteile aufgetrennt.
Zerkleinern oder Einschmelzen der Batterien
Bei der Hydrometallurgie werden die einzelnen Rohstoffe aus dem zuvor zerkleinerten Batterie-Material mit Wasser und Chemiekalien herausgelöst, bei den pyrometallurgischen Verfahren erfolgt die Auftrennung über das Einschmelzen der Batterie. Während sich bei der ersten Variante Recyclingquoten von über 90 Prozent erzielen lassen, sind solche Werte bei der thermischen Behandlung meist nicht erreichbar.
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Höhere Anforderungen an Batterierecycling
Da der Gesetzgeber künftig jedoch höhere Anforderungen an das Batterierecycling stellt, müssten komplexere Recyclingrouten, etwa mechanische Vorbereitung und Sortierung plus Hydrolyse verfolgt werden, sagt Laubenstein. Diese sind dem IAV-Experten zufolge zwar weniger robust und aufwendiger, bieten aber die Möglichkeit, wertvolle Ressourcen wie Lithium, Graphit, Mangan oder Gehäusematerialien (Aluminium) wiederzugewinnen. IAV arbeite derzeit daran, die Chemie der Recycling-Verfahren weiter zu optimieren und denkt gemeinsam mit Fahrzeugherstellern über grundlegend neue Verfahren nach.
Schonende Trennung ohne ätzende Chemikalien
Diese hat man auch beim Fraunhofer IPA im Blick. Als Hintergrund nennt Dr. Adam Stanislaw Balinski die Nachteile pyro- und hydrometallurgischer Prozesse. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Gruppe Simulation und Optimierung der Abteilung Digitalisierte Batteriezellenproduktion verweist hier auf den hohen Energieeinsatz sowie die Verwendung ätzender Chemikalien, bei der toxische Gase und Abwässer erzeugt werden.
Das Fraunhofer IPA erforscht deshalb Methoden, bei denen es zur Zersetzung der Batteriekomponenten gar nicht kommt. „Wir versuchen diese schonend von anderen Komponenten zu trennen und zu regenerieren, damit sie dieselben Eigenschaften aufweisen wie neu hergestellte Komponenten“, erläutert Balinski.
Zukunftstechnologien verstehen!
Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!
Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".
Industrielle Demontage von Batterien
So arbeitet man etwa im Rahmen des Forschungsprojekts 'Industrielle Demontage von Batterien', kurz DeMoBat, an einer universell einsetzbaren Roboterlösung, die in der Lage ist, die Bestandteile einer Batterie zu demontieren, sprich Leitungen, Kabel, Stecker, Dichtungen, Schrauben, Batteriezellen, elektronische Komponenten und Halterungen.
Mercedes-Benz setzt in seiner Pilot-Batterierecyclingfabrik im badischen Kuppenheim auf ein mechanisch-hydrometallurgisches Verfahren, das auf energieintensive Prozessschritte verzichtet. Dabei wird die Batterie demontiert und vorsortiert – Aluminium wie etwa das Batteriegehäuse kann direkt aufgearbeitet werden. Materialien, die sich nicht ohne Weiteres mechanisch trennen lassen, werden dann mithilfe von Wasser und Chemikalien wieder in die Ausgangsmaterialien aufgespalten.
Recyclingquote von Batterien soll 96 Prozent übertreffen
Dabei soll die Recyclingquote auf mehr als 96 Prozent gesteigert werden. Der Aufbau der Anlage wird in zwei Stufen erfolgen. Bis 2023 entsteht zunächst eine Anlage zur mechanischen Zerlegung. In einem zweiten Schritt sollen die Anlagen zur hydrometallurgischen Aufbereitung der Batteriematerialien in Betrieb gehen. Zum Start ist eine Jahreskapazität von 2.500 t geplant. „Wir sehen die Batterien von heute als Mine für die Batterien von morgen“, sagt Jörg Burzer Mitglied des Vorstands der Mercedes-Benz Group.
Recycling wichtig für Automobilstandort
Unstrittig ist, dass ein umfangreiches Recycling von großer Bedeutung für den Automobilstandort Deutschland beziehungsweise Europa ist. „Um die gut entwickelte europäische Automobilindustrie nachhaltig mit ausreichend Ressourcen versorgen zu können und dabei zumindest teilweise eine Entkopplung von Weltmarktpreisen zu erzielen, kommt dem Recycling von Autobatterien eine zentrale Bedeutung zu“, betont Laubenstein.
Elektromobilität soll ressourceneffizienter werden
Um Elektromobilität ressourceneffizienter zu gestalten, darf man nach der Einschätzung von Balinski nicht nur von der stofflichen Verwertung sprechen. „Gelingt es uns, die Produktion zu optimieren, die Lebensdauer einer Batterie zu verlängern oder sie anderweitig zu verwenden, die Materialien schonend abzutrennen und diese zu regenerieren, senken wird den Rohstoffverbrauch erheblich und machen uns unabhängiger“, sagt der Mitarbeiter des Fraunhofer IPA. Asiatische Länder hätten dies ebenfalls erkannt. Wer am Ende in diesem Wettbewerb gewinne, sei offen.
überarbeitet von: Dietmar Poll