MEMS Scannerspiegel vom Fraunhofer IPMS

Drei MEMS-Scannerspiegel im Größenvergleich mit einem Streichholz. Ohne diese Bauteile im Mikroformat sind zukunftsfähige Digitalisierungslösungen kaum denkbar. (Bild: Fraunhofer IPMS)

Was sind MEMS?

MEMS (Micro Electro Mechanical Systems – mikroelektromechanische Systeme) sind miniaturisierte Chips, die Logik und mikromechanische Elemente verbinden. Ihr Miniaturformat sorgt auch dafür, dass sie ähnlich wie Halbleiter sehr günstig in Massenproduktion hergestellt werden können. Hochpräzise Strukturen werden dabei in Silizium-Wafer geätzt.

Die Entwicklung der Mini-Sensoren verlief bereits in mehreren Wellen. Der Maschinen- und Anlagenbau hat schon recht früh begonnen, sensorische Aufgaben mit MEMS zu lösen. „Gerade wegen ihrer geringen Größe sind viele Messungen an verschiedensten Stellen auch mit sehr geringem Platzangebot möglich geworden“, sagt Jörg Amelung, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme IPMS. Amelung forscht seit 1993, also praktisch von Anfang an, im Bereich der MEMS.

Dann entdeckte die Automobilindustrie die Systeme unter anderem für Airbags und die elektronische Stabilitätskontrolle (ESP). Um die 50 mikroelektromechanische Systeme sind heute in Fahrzeugen zu finden. Sie boomten auch in Smartphones und schließlich im IoT-Umfeld.

Diese MEMS kommen jetzt als vollintegrierte Systeme in den Maschinenbau zurück. Die wichtigste Entwicklung besteht darin, dass so eine höhere Integrationsdichte möglich geworden ist: „Während die Sensorik früher mit traditionellem Packaging kam, also einer externen Schnittstelle, gibt es jetzt direkt integrierte digitale Schnittstellen“, so der Experte. Dass die Daten aus den kleinen Sensoren möglichst reibungslos in neue Steuerungs- und KI-Systeme einfließen können, ist ein entscheidender Aspekt, insbesondere auf dem Weg zu autonomen Systemen.

MEMS-Einsatz in der Industrie

Nummer eins unter den MEMS in der Industrie ist klar die Drucksensorik. An zweiter Stelle steht die Flow-Sensorik für Flüssigkeiten und Gase in Hydraulik und Pneumatik; hier gibt es jedoch viele Überschneidungen mit Drucksensoren. Auf Platz drei folgt alles, was Beschleunigung betrifft, also Vibrations- und Drehgeschwindigkeitsmessung, Bewegung im Raum. Der Fachbegriff lautet: Gyroskop. Auch Gassensorik und Mikrofone für akustische Messungen sind im Einsatz, berichtet Amelung. Technologisch angrenzend zu MEMS sind Dehnungsmess-Streifen zu sehen, die als einfach verfügbare, miniaturisierte Kraftsensoren fungieren.

Als typisches Einsatzszenario messen die Mikroelektromechanik-Chips zum Beispiel bei Drehmaschinen Drehung, Vibration und Beschleunigung. Sie sind unter anderem für die Zustandsüberwachung von Drehmaschinen spannend. Vor allem beim Weg von kabelgebundener hin zu drahtloser Sensorik tut sich viel, zugleich ist die Nachfrage danach deutlich gestiegen. Am Beispiel der Drehmaschine wird die Notwendigkeit besonders deutlich, denn die Daten aus den Drehbereichen mit Kabeln zu erheben, ist schwierig.

MEMS und KI für das digitale Betriebsmodell der Zukunft

Im Maschinenbau kommen auch optische MEMS-Sensoren zum Einsatz, zum Beispiel im Bereich LiDAR/Radar. Sie werden im Automatisierungsbereich zum Beispiel für autonome Transport- und Robotersysteme benötigt. Die Mikromechanikchips werden zudem für die Längenmessung verwendet, um die Auslenkung von linearen Aktoren zu messen, oder in der Thermosensorik für Systeme, die Wärme abbilden.

Jörg Amelung
Jörg Amelung ist stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme IPMS. (Bild: Fraunhofer IPMS)

„Der Trend geht deutlich in Richtung Multisensor-Verarbeitung, beispielsweise für Betriebsüberwachung und Predictive Maintenance“, erklärt Jörg Amelung. So werden beispielsweise häufig Vibrationen analysiert, um Lagerschäden zu detektieren. Oft geht es darum, im Bereich der Regelungstechnik Leitplanken für die optimalen Betriebsparameter von Maschinen und Anlagen zu identifizieren.

„Das digitale Betriebsmodell der Zukunft beinhaltet, dass die Maschine sich selbst überwacht. Hier geht es noch eine Stufe weiter, denn ohne KI werden bei der Komplexität von Mehrfachsensoren schnell die Grenzen der Berechenbarkeit erreicht“, sagt Amelung. Die Antwort lautet also: KI in Verbindung mit smarter Sensorik. Für viele neue digitale Geschäftsmodelle und Services ist diese Kombi erfolgsentscheidend. Zudem müssen die erhobenen Informationen so in IT-Systeme einfließen, dass beispielsweise die Servicetechniker direkt in einer App sehen, wenn ein Smart Flange eine Leckage in der Anlage meldet.

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Standardisierung von Schnittstellen

In der Praxis gibt es jedoch oft noch eine Gemengelage auch aus analogen Sensorikschnittstellen. Die sich IO-Link Technologie auf dem Markt?">IO-Link-Standardisierung habe einen wichtigen Beitrag für eine ordentliche Datenübertragung geleistet, meint Amelung. Derzeit seien im Feld durchaus einige Anwendungsszenarien zu sehen, bei denen in Edge-AI-Analysen vor Ort die Daten aus Multisensorik verarbeitet werden. Mit KI-Auswertungen für Mittelständler mit vielen Anlagen befasst sich beispielsweise das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI. Nicht immerist ein Retrofit praktikabel, manchmal auch zu teuer. „Bestimmte Anlagen werden mit Kameras überwacht, weil es keine Sensorik vor Ort gibt, die so ausgelesen werden kann“, berichtet der Fraunhofer-Experte.

Zwar fokussieren sich die meisten Maschinenbauer bereits darauf, moderne MEMS einzusetzen, doch es gibt noch viel Potenzial. Hinzu kommt, dass die Innovation angesichts langfristiger Lebenszyklen der Produkte nur langsam in der Breite ankommt. Bei der Auswahl entsprechender Sensorik-Chips rät der Fraunhofer-Experte, vor allem mit Blick auf eine gut abgedichtete Mediumschnittstelle auf Kapselung und Robustheit für die oft rauen Fabrikbedingungen zu achten.

MEMS - Die kleinen Messwunder

Im Lauf der letzten Jahre sind MEMS immer kleiner und energieeffizienter geworden. In 2020 wurde der globale MEMS-Markt auf 10,92 Milliarden US-Dollar geschätzt, Marktforscher gehen davon aus, dass er bis 2026 auf 18,88 Milliarden wachsen könnte. Das entspräche einer jährlichen Wachstumsrate von 8,71 Prozent. Ein wichtiger Treiber ist die Nutzung für die Automatisierung in der Industrie. Allerdings haben die Hersteller derzeit stark mit Lieferkettenproblemen zu kämpfen. Zu den größten Playern zählen Bosch, STMicroelectronics, Honeywell International und Texas Instruments.

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