Die Experten von Berylls haben die größten Automobil-Zulieferer der Welt unter die Lupe genommen.

Die Experten von Berylls haben die größten Automobil-Zulieferer der Welt unter die Lupe genommen. (Bild: maksym - stock.adobe.com - KI-Bild)

Die globale Automobilindustrie unter Druck: Ein Blick auf die Berylls TOP 25

Die Zulieferer-Experten Alexander Timmer und Jürgen Simon von Berylls haben die Entwicklungen der globalen Automobilzulieferer- und OEM-Branche im Jahr 2024 unter die Lupe genommen. Ihre umfassende Analyse zeigt, wie tiefgreifend die Veränderungen und Herausforderungen sind, mit denen die Industrie konfrontiert ist. Im Fokus stehen die 25 umsatzstärksten Zulieferer weltweit – ohne Bosch und ZF, da diese keine Quartalszahlen veröffentlichen. Die Zahlen und Trends der Berylls TOP 25 zeichnen ein klares Bild: Nach Jahren des Wachstums gerät die Branche immer stärker ins Wanken.

2024 begann, wie schon in der letztjährigen Analyse vorhergesagt, mit spürbarem Gegenwind für die Zulieferer. Die ersten drei Quartale untermauerten diese Prognosen: Das Umsatzwachstum, das viele Jahre als Motor der Branche galt, hat ein Plateau erreicht. Bei den Zulieferern stagnieren die Umsätze bei 407 Milliarden Euro, während die zehn umsatzstärksten OEMs einen Rückgang von 1,5 Prozent verzeichnen. Besonders auffällig ist der deutliche Margenverlust, der das dritte Quartal 2024 prägt. Während die operative Marge der OEMs von 8,9 Prozent im Jahr 2023 auf 7,2 Prozent sank, fiel die Marge der Zulieferer im gleichen Zeitraum von 5,9 auf 5,5 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, dass ein anhaltender Rückgang für die kommenden Quartale immer wahrscheinlicher wird.

Die Margenproblematik erstreckt sich über alle Segmente. Rund 70 Prozent der OEMs und 60 Prozent der Zulieferer kämpfen mit sinkenden Gewinnen. Besonders europäische Hersteller, darunter viele deutsche Unternehmen, zeigen sich überproportional betroffen. Die Ursachen sind vielfältig, von erhöhtem Wettbewerbsdruck aus China bis hin zu globalen makroökonomischen Einflüssen.

China: Vom Wachstumsmarkt zur Herausforderung

Die Volksrepublik, mit über 20 Millionen jährlich abgesetzter Fahrzeuge der größte Einzelmarkt für Automobilhersteller und bedeutender Wachstumsmotor der letzten Jahre, weist wie in den Jahren zuvor auch in 2024 geringere Wachstumsraten auf. Das abgesetzte Volumen für Januar bis Oktober lag dabei zwar 2,9 Prozent über dem Vorjahreswert, allerdings unter den Wachstumsraten der Vergangenheit (3,0 Prozent in 2023, 3,4 Prozent in 2022). Dabei konnten auch die tobenden Preiskämpfe unter den Herstellern nicht für einen höheren Absatz sorgen, angesichts rückläufigen BIP Wachstums (<5 Prozent in 2024) und diverser Segmente wie Immobilien im „Krisenmodus“.

Besonders hart trifft dies die europäischen OEMs, deren Abhängigkeit vom chinesischen Markt hoch ist. Rund ein Drittel ihres weltweiten Absatzes generieren deutsche Hersteller in China. Doch seit 2018 haben sie mehr als fünf Prozent Marktanteil an lokale Konkurrenten verloren, ein Trend, der sich angesichts der immer stärkeren Positionierung chinesischer OEMs fortsetzen dürfte. Diese haben sich nicht nur auf ihrem Heimatmarkt etabliert, sondern drängen zunehmend nach Europa.

Für Zulieferer bedeutet dies, dass sie sich auf eine wachsende Bedeutung chinesischer Hersteller einstellen müssen – sowohl in China als auch auf den internationalen Märkten. Doch auch hier lauern Risiken: Der chinesische Markt ist stark fragmentiert, viele Marken kämpfen mit fehlender Profitabilität. Eine Konsolidierungswelle in den kommenden Jahren scheint unausweichlich, was für Zulieferer zusätzliche Unsicherheiten mit sich bringt.

E-Mobilität: Margendruck und Kostenspiralen

Die Transformation hin zur Elektromobilität bleibt ein zentrales Thema der Automobilindustrie. Doch die Verschärfung der CO₂-Grenzwerte in der EU ab 2025 setzt OEMs und Zulieferer unter massiven Druck. Die neuen Vorgaben senken den Flottengrenzwert auf 93,6 g/km, ein Rückgang um 19 Prozent gegenüber 2024. Diese Regulierung zwingt die Hersteller, den Absatz von batterieelektrischen Fahrzeugen (BEVs) deutlich zu steigern. Derzeit liegt der BEV-Umsatzanteil der OEMs bei etwa 20 Prozent. Um die CO₂-Ziele zu erreichen, muss dieser Anteil auf 25 bis 30 Prozent steigen.

Doch diese Transformation hat ihren Preis. Um die Nachfrage anzukurbeln, setzen viele Hersteller auf signifikante Rabatte, die die Margen weiter belasten. Besonders betroffen sind Zulieferer, die Hochvolt-Komponenten für BEVs liefern. Diese stehen am Ende einer Kostenspirale, die 2025 ihren Höhepunkt erreichen dürfte. Gleichzeitig bleibt die Akzeptanz von E-Fahrzeugen in wichtigen Märkten wie Europa und den USA eine Hürde, da hohe Anschaffungskosten, fehlende Ladeinfrastruktur und ein begrenztes Angebot an erschwinglichen Modellen viele Kunden abschrecken.

Finanzierung und Liquiditätsprobleme

Neben operativen Herausforderungen treten auch finanzielle Risiken immer stärker in den Vordergrund. Die "Interest Coverage Ratio", ein Indikator für die Fähigkeit von Unternehmen, Zinsen aus laufenden Einnahmen zu decken, ist auf den zweitniedrigsten Stand seit 2010 gefallen. Gleichzeitig zeigt der Altman Z-Score, ein Maß für Insolvenzrisiken, dass vier Zulieferer aus den Berylls TOP 25 als insolvenzgefährdet gelten. Nur sieben Unternehmen der Liste können als vollständig solvent eingestuft werden.

Die steigenden Finanzierungskosten und die anhaltende Margenschwäche erfordern entschlossenes Handeln seitens der Zulieferer. Ein Abwarten auf bessere Marktbedingungen birgt das Risiko, die finanzielle Lage weiter zu verschärfen. Besonders kleine und mittelständische Zulieferer mit einem Jahresumsatz von weniger als fünf Milliarden Euro stehen vor existenziellen Herausforderungen.

Prognose für 2025: Ein Jahr der Unsicherheiten

Die Aussichten für 2025 bleiben düster. Die Automobilindustrie steht vor einem Jahr, das ähnlich kritisch werden könnte wie die Pandemie-Krise. Steigende Zölle auf chinesische Fahrzeuge, Margendruck durch die E-Mobilität und eine anhaltende Kaufzurückhaltung der Verbraucher lassen nur ein moderates Wachstum erwarten – wenn überhaupt.

Neue Plattformen oder Modelle, die den Markt nachhaltig beleben könnten, sind nicht in Sicht. Gleichzeitig wird der Druck auf Zulieferer durch OEMs weiter steigen, da diese versuchen, ihre Kosten zu senken. Die Preisverhandlungen für Projekte mit Produktionsstart 2027 dürften besonders hart ausfallen. Bereits jetzt deutet sich an, dass Margen von fünf Prozent oder mehr für viele Zulieferer kaum noch zu halten sind.

Die Insolvenzgefahr für kleinere und mittelständische Zulieferer wird zunehmen, während die größeren Player versuchen, ihre Marktanteile zu sichern. Doch selbst für die größten Zulieferer bleibt die Lage angespannt, da die globalen Absatzmärkte stagnieren und die Transformation zur Elektromobilität hohe Investitionen erfordert, die sich kurzfristig kaum amortisieren lassen.

Ein Jahr der Entscheidungen

Die Analyse von Alexander Timmer und Jürgen Simon verdeutlicht, dass die Automobilindustrie 2024 vor einer Zeitenwende steht. Die Herausforderungen sind nicht nur kurzfristig, sondern erfordern strukturelle Anpassungen. Für Zulieferer wird 2025 ein Jahr, das die Weichen für die Zukunft stellt – mit allen Risiken, die damit verbunden sind.

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