Was ist das Hauptproblem der aktuellen Industriepolitik in Deutschland?
Das zentrale Problem liegt in einer rein reaktiven Industriepolitik, die bestehende Strukturen schützt, statt aktiv Zukunftsmärkte zu entwickeln. Subventionen werden oft zur Bestandssicherung eingesetzt, nicht zur Förderung von Innovation oder Wandel. Damit fehlt eine strategische Vision für die nächsten Jahrzehnte.
Warum reichen Steuervergünstigungen und Subventionen nicht aus?
Solche Maßnahmen schaffen kurzfristige Entlastung, wirken aber nicht transformativ. Ohne klare Zielvorgaben und Bedingungen – etwa in Richtung Nachhaltigkeit oder Digitalisierung – verpuffen die Gelder. Innovation entsteht nicht aus Entlastung, sondern aus strategischem Druck und gezielten Investitionen in neue Technologien.
Welche Verantwortung trägt die Industrie selbst?
Die Industrie fordert oft Strukturreformen, blockiert aber notwendige Veränderungen, wenn sie den Status quo gefährden. Statt zukunftsgerichtete Geschäftsmodelle zu entwickeln, wird häufig versucht, alte Modelle zu konservieren. Dadurch entsteht ein Reformstau, der nicht allein der Politik anzulasten ist.
Ist der deutsche Standort im internationalen Vergleich noch konkurrenzfähig?
Deutschland steht unter wachsendem Druck. Länder wie die USA, Südkorea oder Dänemark setzen auf eine strategische Industriepolitik mit klaren Innovationszielen. Die Abwanderung von Produktionskapazitäten und die sinkende Investitionsdynamik sind klare Warnsignale. Ohne Neuausrichtung droht ein schleichender Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.
Warum ist das Thema so brisant für den Wirtschaftsstandort?
Die Industrie trägt maßgeblich zum deutschen Wohlstand bei. Wenn sie den Anschluss an technologische Entwicklungen verliert, sind Wachstum, Beschäftigung und gesellschaftlicher Fortschritt gefährdet. Eine Industriepolitik ohne Zukunftsorientierung gefährdet somit nicht nur Unternehmen, sondern das gesamte Wirtschaftsmodell.
Welche Rolle spielt die Politik aktuell?
Die Politik befindet sich in einer Zwickmühle zwischen akuter Krisenbewältigung und langfristiger Strategie. Oft dominiert jedoch das Tagesgeschäft. Ohne klare industriepolitische Leitplanken bleibt die politische Unterstützung wirkungslos. Es braucht verbindliche industriepolitische Ziele – und den Mut zur Umsetzung.
Gibt es positive Signale aus der deutschen Industrie?
Ja, zahlreiche Mittelständler und Start-ups treiben mit Innovationsgeist neue Entwicklungen voran – etwa in der Wasserstofftechnologie, im Maschinenbau 4.0 oder in der digitalen Fertigung. Diese Unternehmen zeigen: Veränderung ist möglich – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.