Kolumne "Nachgedacht" von Andreas Syska

Industriepolitik im Realitätscheck: Schutz statt Wandel?

Subventionen statt Strategie, Entlastung statt Erneuerung: Der deutsche Industrie fehlt es nicht an Unterstützung – sondern an Mut zur Veränderung, schreibt unser Kolumnist Andreas Syska.

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Die deutsche Industriepolitik steckt fest – zwischen Wunschdenken und Strukturverweigerung.
Die deutsche Industriepolitik steckt fest – zwischen Wunschdenken und Strukturverweigerung.

Die deutsche Industrie ist unzufrieden. Wie eigentlich immer. Hohe Energiepreise, lähmende Bürokratie, keine Planungssicherheit. Man fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen. Genau wie von der letzten und auch von der davor.

Das Versprechen der Industrie war stets: Erfüllt die Regierung unsere Forderungen, dann bleiben wir innovativ, wettbewerbsfähig und im Lande. Nun haben die Regierungen genau dies getan. Von subventionierter Energie bis hin zu Steuervergünstigungen - es wurde geliefert, wie bestellt.

Und was kommt im Gegenzug? Rezession, Stellenabbau und Abwanderung ins Ausland – jedenfalls von denen, die es können – mit dem Innovationsgeist im Handgepäck.

Was die Politik nämlich nicht geliefert hat, waren Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle, für frische Ideen oder Zukunftsfähigkeit. Aber das war ja auch nicht Teil der Bestellung.

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Denn die Forderung der Industrie lautete nie: „Macht uns fit für die Zukunft“, sondern: „Haltet uns die Zukunft vom Leib“. Oder werft ihr Steine in den Weg, damit sie später kommt. Bestandsschutz, statt Wandel. Steuervergünstigung, statt Strategie. Entlastung, statt Erneuerung.

Die Industrie ruft lautstark nach Strukturreformen, will aber Heizkostenzuschüsse, weniger Abgaben und Schutz vor Wettbewerb. Sie mahnt eine gute Standortpolitik an, meint aber nichts anderes als ein steuerfinanziertes Hospiz für ihre sterbenden Geschäftsmodelle.

Dies ist ein Industrieschutz, der vor allem vor Veränderungen schützen soll. Das funktioniert aber nicht. Denn die Veränderung ist da und lässt sich nicht wegsubventionieren.

Wer stets fordert, dass der Staat bestehende Strukturen bewahrt, sollte sich nicht wundern, wenn keine neuen entstehen. Jedenfalls nicht hierzulande.

Ist der aktuelle Zustand der Industrie vielleicht doch nicht das Ergebnis eines Politikversagens, sondern das Resultat der Hasenherzigkeit und Phantasielosigkeit der Industrie selber, die von einer arglosen Politik nur allzu bereitwillig bedient wird?

Man könnte die Industriepolitik als gescheitert erklären. Dann aber nicht, weil Politiker nicht auf die Industrie hören wollen, sondern weil ihre Forderungen ohne Ambition und Vision sind.

Das ist Prof. Dr. Andreas Syska

Prof. Dr. Andreas Syska.
Prof. Dr. Andreas Syska.

Die Faszination für Produktion begleitet ihn sein gesamtes Berufsleben lang. Nach Maschinenbaustudium und Promotion an der RWTH Aachen war er bei der Robert Bosch GmbH tätig, zuletzt als Produktionsleiter.

Als Professor für Produktionsmanagement an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach gab er seinen Studenten und Industriepartnern ein größtmögliches Stück dieser Faszination weiter und entwirft radikale, wie optimistische Szenarien für die Industrie der Zukunft.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zur deutschen Industriepolitik


Was ist das Hauptproblem der aktuellen Industriepolitik in Deutschland?

Das zentrale Problem liegt in einer rein reaktiven Industriepolitik, die bestehende Strukturen schützt, statt aktiv Zukunftsmärkte zu entwickeln. Subventionen werden oft zur Bestandssicherung eingesetzt, nicht zur Förderung von Innovation oder Wandel. Damit fehlt eine strategische Vision für die nächsten Jahrzehnte.

Warum reichen Steuervergünstigungen und Subventionen nicht aus?

Solche Maßnahmen schaffen kurzfristige Entlastung, wirken aber nicht transformativ. Ohne klare Zielvorgaben und Bedingungen – etwa in Richtung Nachhaltigkeit oder Digitalisierung – verpuffen die Gelder. Innovation entsteht nicht aus Entlastung, sondern aus strategischem Druck und gezielten Investitionen in neue Technologien.

Welche Verantwortung trägt die Industrie selbst?

Die Industrie fordert oft Strukturreformen, blockiert aber notwendige Veränderungen, wenn sie den Status quo gefährden. Statt zukunftsgerichtete Geschäftsmodelle zu entwickeln, wird häufig versucht, alte Modelle zu konservieren. Dadurch entsteht ein Reformstau, der nicht allein der Politik anzulasten ist.

Ist der deutsche Standort im internationalen Vergleich noch konkurrenzfähig?

Deutschland steht unter wachsendem Druck. Länder wie die USA, Südkorea oder Dänemark setzen auf eine strategische Industriepolitik mit klaren Innovationszielen. Die Abwanderung von Produktionskapazitäten und die sinkende Investitionsdynamik sind klare Warnsignale. Ohne Neuausrichtung droht ein schleichender Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.

Warum ist das Thema so brisant für den Wirtschaftsstandort?

Die Industrie trägt maßgeblich zum deutschen Wohlstand bei. Wenn sie den Anschluss an technologische Entwicklungen verliert, sind Wachstum, Beschäftigung und gesellschaftlicher Fortschritt gefährdet. Eine Industriepolitik ohne Zukunftsorientierung gefährdet somit nicht nur Unternehmen, sondern das gesamte Wirtschaftsmodell.

Welche Rolle spielt die Politik aktuell?

Die Politik befindet sich in einer Zwickmühle zwischen akuter Krisenbewältigung und langfristiger Strategie. Oft dominiert jedoch das Tagesgeschäft. Ohne klare industriepolitische Leitplanken bleibt die politische Unterstützung wirkungslos. Es braucht verbindliche industriepolitische Ziele – und den Mut zur Umsetzung.

Gibt es positive Signale aus der deutschen Industrie?

Ja, zahlreiche Mittelständler und Start-ups treiben mit Innovationsgeist neue Entwicklungen voran – etwa in der Wasserstofftechnologie, im Maschinenbau 4.0 oder in der digitalen Fertigung. Diese Unternehmen zeigen: Veränderung ist möglich – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.