Lage im Maschinenbau

Warum VDMA-Präsident Kawlath Fan des Standorts Europa ist

Die Auftragslage im Maschinenbau zieht an – doch die Unsicherheiten bleiben. VDMA-Präsident Bertram Kawlath über Fachkräftemangel in den USA, Zollpolitik und warum der Standort Deutschland weiter viele Vorteile hat.

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VDMA-Präsident Bertram Kawlath spricht im Podcast Industry Insights über die Lage im Maschinenbau.
VDMA-Präsident Bertram Kawlath spricht im Podcast Industry Insights über die Lage im Maschinenbau.

Herr Kawlath, der Maschinenbau steht weiterhin vor vielen Herausforderungen. Im vergangenen Jahr gab es einen Produktionsrückgang von acht Prozent. Für dieses Jahr prognostiziert der VDMA ein Minus von zwei Prozent. In den ersten Monaten dieses Jahres gab es aber nur ein Auftragsplus von vier Prozent. Das erste Quartal 2025 war sogar die erste positive Quartalsbilanz der Aufträge seit drei Jahren. Hat der Maschinenbau nun die Talsohle erreicht?

Bertram Kawlath: Erstmal sind wir Optimisten und hoffen das natürlich. Das letzte Jahr war schmerzhaft, das muss man schon sagen. Eine Prognose von minus zwei Prozent ist auch eine schmerzhafte Prognose. Wir haben halt lange Fristen und selbst wenn jetzt viele Aufträge kommen, dann dauert das eine ganze Weile, bis die in Produktion und auch Umsatz kommen. Es bleiben doch zu viele Unsicherheiten noch im Markt, als dass wir jetzt schon sagen könnten: Alles läuft voran.

Natürlich ist das erste Quartal erstmal erfreulich gewesen, aber es bleibt abzuwarten in all dieser Unsicherheit – Zollpolitik, der Krieg in der Ukraine, China – wie wir damit umgehen können. Der Optimist in mir sagt, die [Talsohle] muss ja irgendwann erreicht sein. Der Kopf sagt, warte noch etwas ab mit einer Prognose.

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Sie haben eine der Herausforderungen schon angesprochen: die Zolldiskussion und die ungewisse Lage in den USA. Sie waren ja dieses Jahr selbst schon vor Ort. Was haben Ihnen die Maschinenbauer in den USA denn erzählt? Welche Probleme gibt es und welche Chancen sehen Sie aber vielleicht auch?

Kawlath: Man muss das vielleicht etwas erläutern, was wir europäische Maschinenbauer in den USA machen: Wir sind der Enabler von US-amerikanischen Exporten. Denn die Maschinen und Anlagen, die wir hier in Europa produzieren, können Sie dort auf dem Heimatmarkt nicht aus heimischer Produktion kaufen.

Das heißt, wir sind kein Teil des Handelsdefizits, sondern wir erzeugen positive Handelsüberschüsse für die USA. Vor diesem Hintergrund sind die 100.000 Arbeitsplätze, die unsere Mitgliedsunternehmen in den USA stellen, schon ein wichtiges Asset. Mit diesem Narrativ sind wir dort auch hingefahren, um die Stimmung dort abzuholen.

Erstaunlicherweise haben mir alle Unternehmerinnen und Unternehmer dort gesagt, das größte Problem ist erstmal, Fachkräfte zu finden. Das ist das drängendste Thema für alle.

Das macht natürlich die Frage einer Reindustrialisierung ganz spannend. Für die Reindustrialisierung wiederum braucht man europäische Maschinen und Anlagen. Diese Projekte sind allerdings im Moment alle eingefroren, denn die erratische Zollpolitik der USA sorgt dafür, dass jeder erstmal abwartet.

Das betrifft uns natürlich und das ist eine dieser Unsicherheiten: Wenn alle Projekte aus Sorge um die Statik der Zahlen in Zukunft erstmal gestoppt werden, dann werden nicht unbedingt Investitionsgüter gekauft.

Man hat große Probleme in den USA mit den Regulierungen in der EU, also CSRD, CSDDD, die Deforestation Regulation. Das wird dort gesehen als Abwehrregulierungen der EU. Die möchte man gerne aus dem Weg haben. Da sind wir uns ja fast einig mit den amerikanischen Unternehmen. Viele kämpfen mit etwas überforderten Zollbehörden. Da ist sehr, sehr viel Unsicherheit in den Markt gekommen, und das tut dem nicht gut.

Am Ende muss man sagen, Zölle tun den Bürgern auf der Straße weh und insofern ist das, was die USA mit ihrer Zollpolitik macht, ein Schnitt ins eigene Fleisch und wird dauerhaft so auch nicht haltbar sein.

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Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang sind die Spannungen zwischen den USA und China. Auf dem Maschinenbau-Gipfel werden wir auch über den Standort Europa sprechen. Wie muss sich Europa denn jetzt aufstellen, um in diesem Spannungsfeld wettbewerbsfähig zu bleiben?

Kawlath: Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz hat uns auf unserem Amsterdamer Europäischen Gipfel den schönen Satz hinterlassen: "The only chance we have left ist European strength." – Die einzige Chance bleibt europäische Stärke. Und ich stimme ihm da zu.

Was ist europäische Stärke?

  • Wir müssen wieder Vertrauen in die Innovationskraft unserer Industrie finden.
  • Wir müssen weg von einer Misstrauensregulierung, die versucht, uns bis ins kleinste Feld vorzuschreiben, wie und wo und was wir tun sollen. Dabei wird ein großer Haufen Papier produziert, der Innovation und das Geschäft nicht voranbringt.
  • Europa muss stärker zusammenhalten, muss den Mut haben und das Vertrauen wiederfinden, dass diese Industrie proeuropäisch arbeitet und für die Leute arbeitet, und sie wieder ein bisschen laufen lassen.
  • Ich würde mir wünschen, dass die Integration des europäischen Binnenmarktes besser gelingt, als sie jetzt ist, insbesondere in Fragen der Arbeitnehmerfreizügigkeit.
  • Aber auch, was den Kapitalmarkt angeht, also eine Kapitalmarktunion, die uns wieder erlaubt, auch Skalierung, vielleicht sogar, wenn ich an KI-Projekte denke, Hyperskalierung in Europa hinzukriegen, wäre hilfreich.

Kommen wir von den USA und Europa nun nach Deutschland. Bundeskanzler Friedrich Merz kommt ebenfalls zum Maschinenbau-Gipfel. Da freuen wir uns schon drauf. Was wollen Sie ihm denn auf alle Fälle mit auf den Weg geben?

Kawlath: Erstmal freue ich mich sehr, dass der Bundeskanzler kommt und sich die Chance gibt, direkt aus unserer Industrie etwas zur Lage zu hören und wie man diesen stärksten Industriearbeitgeber in Deutschland stärken und voranbringen kann. Die ersten Schritte dieser Bundesregierung zeigen in die richtige Richtung.

Ansonsten muss ich ihm aber leider das Gleiche sagen, was ich zu meinem Amtsantritt der letzten Bundesregierung gesagt habe: Lauft schneller, habt Vertrauen in diese Wirtschaft und löst ein bisschen die Fesseln, damit sie schneller laufen kann.

Auch die IG Metall wird vor Ort sein, und es wird einen Schlagabtausch zwischen dem VDMA Vizepräsidenten Alexander Jakschick und dem Zweiten Vorsitzenden der IG Metall Jürgen Kerner geben. Welches Thema will der Maschinenbau denn auf alle Fälle mit der Gewerkschaft diskutieren?

Kawlath: Das Verhältnis ist ja da kein schlechtes. Also Schlagabtausch ist vielleicht nicht das richtige Wort. Am Ende haben wir die gleichen Interessen. Wir wollen die Menschen, die in unserer Branche arbeiten, in guten Arbeitsverhältnissen sicher beschäftigen und das auch noch in fünf Jahren und in zehn Jahren. Wir wollen auch möglichst viele junge Leute in diese Branche reinziehen.

Was für uns Unternehmen von höchster Wichtigkeit ist, und ich glaube, Frau Benner hat das erkannt, und ich denke, Herr Kerner auch, ist, dass die Arbeit flexibler sein muss in den Unternehmen. Beispielsweise eine Wochenarbeitszeit statt einer Tagesarbeitszeit. Das sind die Punkte, die uns Unternehmen umtreiben.

Der Maschinenbau ist in der Breite mittelständisch geprägt. Das sind oft nicht ganz so große Unternehmen. Für die ist Flexibilität ein ganz hohes Gut. Wir hatten über die Unsicherheiten im Markt gesprochen vorhin. Diese Unsicherheiten habe ich ja auch in der Auftragslage und dann muss ich sehr, sehr schnell reagieren können. Denn Geschwindigkeit ist ein ganz wichtiges Gut in der Lieferung unserer Güter. Da brauchen wir diese Flexibilität, damit wir international bestehen können.

Ein weiteres Thema, bei dem es vielleicht viele Diskussionen geben wird, ist das Thema „Standort im Fokus: investieren oder gehen?“. Jetzt dürfen Sie Werbung machen: Welche Vorteile bringt denn der Standort Deutschland weiter mit sich?

Kawlath: Wir zeigen das ja online und in verschiedenen Medien, der Maschinenbau investiert hier. Ich bleibe ein Fan dieses Standorts Europa und damit auch ein Fan dieses Standorts in Deutschland. Es gibt handfeste Gründe:

  • Wir haben nach wie vor toll ausgebildete Menschen in diesem Land.
  • Wir haben eine tolle Bildungsstruktur.
  • Wir haben sehr, sehr innovative Unternehmen.
  • Wir haben einen hohen Grad an Rechtssicherheit. Das ist nicht überall gegeben.
  • Der Schutz geistigen Eigentums ist toll.
  • Wir sind jetzt dabei – deswegen mein Aufruf an die Regierung: macht schneller – wir sind dabei, die Infrastruktur voranzubringen. Da haben wir Defizite. Vielleicht fährt irgendwann die Bahn auch wieder pünktlich.

Aber das ist ein großartiger Standort und je mehr man in der Welt herumfährt, desto mehr erkennt man diese Vorteile. Wenn wir es noch schaffen, ein bisschen die Fesseln abzulegen und Geschwindigkeit wieder zu lernen, dann gibt es wenige bessere Standorte.

Noch eine letzte Frage an Sie, Herr Kawlath: Wir haben auf der Veranstaltung auch eine Diskussionsrunde zum Thema Social Media für den mittelständischen Maschinenbau. Welche Schlagzeile möchten Sie denn im Nachgang über die Veranstaltung auf LinkedIn lesen?

Kawlath: Der Maschinenbau hat volle Auftragsbücher.

Dieses Interview basiert auf Auszügen aus dem Podcast Industry Insights. Die Folge mit Bertram Kawlath finden Sieunter anderem hier und überall, wo es Podcasts gibt. Hören Sie rein!