Der Produktionsanlauf von E-Antrieben erfordert präzise Technologien und Strategien. Mahle setzt auf Automatisierung und innovative Fertigung, um die Transformation zur Elektromobilität voranzutreiben. Dazu beschreibt Guntram Haas, Director Operations Business Unit Electronics and Mechatronics bei Mahle, die Schüsselfaktoren für einen sicheren Produktionsanlauf von Elektromotoren in der Industrie. Dabei bezieht er sich auf mehrere zentrale Themenbereiche: die Reflexion der aktuellen Marktsituation, detaillierte Einblicke in Produktionstechnologien und deren Reifegrad sowie die Schüsselfaktoren, die für die Transformation der Industrie entscheidend sind.
Haas betont: „Heute ist Mahle ein globales Unternehmen, das unter anderem eine automatisierte Elektronikproduktion für Leistungselektronik in Spanien betreibt, wo Teile für Onboard-Charger zur E-Mobilität hergestellt werden.“ Er führt weiter aus, dass sich die gesamte Industrie momentan mit einer sehr volatilen Marktsituation konfrontiert sehe. Dies betreffe nicht nur Technologien, sondern auch Produktionsstückzahlen und zeitliche Prognosen. All dies stelle signifikante Anforderungen an den Hochlauf von Schlüsselkomponenten wie Batterien, Elektromotoren und Ladegeräten.
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Die Rolle von Mahle in der Elektromobilität
Haas erläutert, dass Mahle im Bereich Elektromobilität stark auf vier Produktgruppen fokussiere: Charging (einschließlich Wireless Charging und AC-Charging bis 22 Kilowatt), Leistungselektronik (insbesondere Onboard-Charger), Elektromotoren und Technologieentwicklungen wie Superior Continuous Torque (SCT) und Magnet-Free-Contactless-Transmitter (MCT). Besonders im Bereich Wireless Charging kooperiere Mahle eng mit Siemens.
Darüber hinaus stellt Haas klar: „Mit etwa acht Millionen Antriebseinheiten pro Jahr ist Mahle einer der größten Hersteller von Elektromotoren in Europa. Die Anwendungen reichen von elektrischen Antrieben für Fahrräder und kleine Fahrzeuge bis hin zu Passenger Cars und Medium Heavy Duty Anwendungen.“ Diese Vielfalt fordere ständige Innovationen und eine Weiterentwicklung der Technologien.
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E-Motoren in vielen Anwendungen eingesetzt
Ein weiterer Aspekt ist die Breite der Anwendungen, die Mahle mit seinen Produkten abdeckt. Haas erklärt, dass die Elektromotoren sowohl in industriellen Anwendungen als auch in Fahrzeugen mit zwei, drei oder vier Rädern verwendet werden. Diese Diversifizierung sei entscheidend, um auf die unterschiedlichen Anforderungen der Kunden einzugehen und gleichzeitig Innovationsfähigkeit zu beweisen. „Die Transformation hin zu Elektromobilität ist nicht nur eine Herausforderung, sondern bietet auch immense Chancen für Unternehmen wie Mahle, die eine klare Strategie verfolgen,“ unterstreicht Haas.
Warum ist der Produktionsanlauf von E-Antrieben so komplex?
Die Marktentwicklung sehe auf den ersten Blick vielversprechend aus: Laut Haas werde bis 2035 in der Europäischen Union ein Anteil von 75 Prozent der Antriebstechniken in Elektrofahrzeugen erwartet. Im Bereich Medium Heavy Duty sei die Transformation zwar langsamer, dennoch werde etwa ein Drittel der Antriebe elektrifiziert sein. Gleichzeitig weist Haas jedoch darauf hin, dass diese Entwicklung mit drei großen Herausforderungen verbunden sei:
- Volatile Stückzahlen: Die Unsicherheiten in der Planung führten zu erheblichen Schwankungen in den Produktionsmengen. Dies betreffe nicht nur die Anzahl der gefertigten Motoren, sondern auch die Kapazitätsplanung entlang der gesamten Lieferkette. Haas sagt: „Diese Schwankungen erschweren nicht nur die Produktionsplanung, sondern stellen auch eine Belastung für unsere Lieferanten dar.“
- Change-Management: Aufgrund der kontinuierlichen technologischen Innovationen seien häufige Produktänderungen erforderlich. Diese Änderungen müssen laut Haas effizient gemanagt werden, um Kosten und Zeitverluste zu minimieren. „Das Change-Management ist eine der größten Herausforderungen, da es nicht nur die Produktion, sondern auch die gesamte Organisation betrifft,“ so Haas.
- Wettbewerbsdruck: Der Kostendruck und die Notwendigkeit effizienter Prozesse seien zentrale Themen. Hierbei gehe es nicht nur um Produktionskosten, sondern auch um die Optimierung von Prozessen in der gesamten Wertschöpfungskette. „Wir müssen in der Lage sein, hochwertige Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen zu liefern,“ erläutert Haas.
Haas weiter: „Diese Herausforderungen erfordern spezialisierte Lösungen, um die Business Cases profitabel zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um technische Innovationen, sondern auch um organisatorische Anpassungen.“
Welche Technologien sichern die Effizienz?
Beim Blick auf die Produktionstechnologien geht Haas besonders auf die Hairpin-Technologie ein: „Wir befinden uns derzeit in der dritten Generation der Hairpin-Technologie, die jedoch noch nicht den gewünschten Reifegrad erreicht hat. Es ist entscheidend, die Entwicklungsgeschwindigkeit zu erhöhen, um einen höheren Reifegrad schneller zu erreichen.“
Er beschreibt auch die Architektur von Elektromotoren, bei der mehrere Module parallel adressiert werden. SCT, eine Technologie für kontinuierliches Drehmoment, eigne sich insbesondere für den Medium Heavy Duty Bereich. Alternativ werde mit MCT eine magnetfreie Technologie entwickelt, die durch den Verzicht auf Magnete innovative Lösungen biete.
Mitarbeiter und Wissensmanagement als Schüsselfaktoren
„Der Schlüssel zum Erfolg sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,“ hebt Haas hervor. Um den Anforderungen gerecht zu werden, setze Mahle auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Wissens im Unternehmen. Dies geschehe durch:
- Wissenstransfer: Umwandlung von implizitem Wissen in explizites Wissen. Dieser Prozess sei entscheidend, um sicherzustellen, dass das Fachwissen der Mitarbeiter dokumentiert und für andere zugänglich gemacht werde.
- Cross-Learning: Nutzung von Lessons Learned aus bestehenden Programmen. Haas erklärte: „Wir legen großen Wert darauf, aus vergangenen Projekten zu lernen und diese Erkenntnisse in neue Entwicklungen einfließen zu lassen.“
- Training: Schulung sowohl indirekter als auch direkter Mitarbeiter. Hierbei gehe es nicht nur um technische Kenntnisse, sondern auch um Soft Skills wie Teamarbeit und Problemlösung.
Haas erklärt: „Es gibt bestimmte Schlüsselprozesse, für die Experten erforderlich sind. Diese gilt es, langfristig im Unternehmen zu halten.“
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Partnerschaften und Digitalisierung
Zusätzlich zu internen Maßnahmen seien laut Haas auch Partnerschaften von zentraler Bedeutung. Technologiepartnerschaften mit Lieferanten sowie Materiallieferanten seien essenziell, um die Entwicklungs- und Prozessgeschwindigkeit zu erhöhen.
Denn die hohe Geschwindigkeit und rasches Reagieren erfordere eine simultane Arbeit der Produktentwicklung und der Prozessentwicklung inklusive der Partner auf der Equipment- und auf der Materialseite. „Nur in dieser Kombination gelingt es uns Geschwindigkeit zu generieren, Anlaufkosten gering zu halten und den Business Case profitabel zu halten“, findet Haas.
Blicke man auf das Laserstrahlschweißen, dann sehe man am Beispiel einer klassischen Starterlinie, dass es eine wirklich rasche Erhöhung der Prozessfähigkeiten in diesem Prozessbereich entlang der gesamten Prozesskette mit sehr kurzen Qualitätsregelzyklen brauche.
Was bedeutet der Reifegrad der Technologien?
„Das wird es dann schwer zu unterscheiden, wann man noch von einem B-Muster spricht, wann schon von einem C-Muster oder ob das C Muster nicht sogar schon serienreif ist. Das alles erfordert ein detailliertes Datenmanagement“, erläutert Haas und fährt fort: „Wir benötigen demnach bereits in der Sample Phase eine sehr hohe Traceability. Die Lösung dafür ist, dass wir im Unternehmen praktisch das komplette Projekt als digitaler Zwilling am Beginn schon aufbauen, um die komplette Simulation durchzuführen.“
Wenn es dann in Richtung Serienproduktion gehe, müssten die verbleibenden Probleme mit einer Struktur gelöst werden können. „Da haben wir begonnen, das gesammelte Wissen aus den letzten 30 bis 35 Jahren, wie Probleme in der Industrie gelöst werden, zu systematisieren. Aus dieser Systematisierung haben wir Methoden entwickelt und mit diesen Methoden der Problemlösung gehen wir heute davon aus, dass wir die Ursachen für sämtliche Probleme binnen drei bis fünf Tagen auf den Tisch bekommen“, erläutert Haas.
Flexibles und skalierbares Linienkonzept
Das führte schließlich zu einem flexiblen Linienkonzept. Dieses Konzept sei darauf ausgelegt, auf volatile Stückzahlen und verschiedene Technologien zu reagieren. „Es beginnt mit einem Schritt Null, einer nicht verketteten Anlage, und führt schrittweise zu einer hochautomatisierten Linie mit den geplanten OEE- und Ausschusswerten,“ beschreibt Haas.
„Wir sprechen also von einer skalierbaren, flexiblen Linie. Das ist die Antwort, um die ganzen Herausforderungen wie Stückzahlen. Volatilität, Kostendruck beziehungsweise Change Management während des Entwicklungs- und Hochlaufprozesses abzufangen und industriell darzustellen“, fasst Haas zusammen.
Er unterstreicht, dass dieses Konzept nicht nur das Investitionsrisiko minimiere, sondern auch die Marktanforderungen effizient abfange. „Der Erfolg liegt darin, eine skalierbare, flexible Linie zu schaffen, die alle Herausforderungen bewältigen kann,“ schließt er. Darüber hinaus sei es wichtig, während des Hochlaufs eng mit Kunden und Lieferanten zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass alle Anforderungen erfüllt werden.