Interview

KI, Nachhaltigkeit und Co: So sieht die Fabrik der Zukunft aus

Digitale Zwillinge, KI-gestützte Planung und Simulation: Die smarte Fabrik ist längst keine Zukunftsmusik mehr – sondern beginnt dort, wo Daten zusammenlaufen. Wie die "intelligente Fabrik der Zukunft" aussehen kann, erklärt Alexander Stern von Autodesk.

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Die „intelligente Fabrik der Zukunft“ basiert für Autodesk auf einem vernetzten, digitalen Ökosystem, das alle Phasen von Planung bis hin zum Betrieb abbildet.
Die „intelligente Fabrik der Zukunft“ basiert für Autodesk auf einem vernetzten, digitalen Ökosystem, das alle Phasen von Planung bis hin zum Betrieb abbildet.

Herr Stern, Autodesk spricht von der „intelligenten Fabrik der Zukunft“. Was genau verstehen Sie darunter – und wie weit sind wir davon entfernt?

Alexander Stern (Manufacturing Platform Stategy Lead bei Autodesk): Die „intelligente Fabrik der Zukunft“, wie wir sie bei Autodesk verstehen, basiert auf einem vernetzten, digitalen Ökosystem, das alle Phasen von Planung und Design über Bau bis hin zum Betrieb abbildet. Zentrale Elemente sind dabei digitale Zwillinge, vorausschauende Instandhaltung, eine durchgängige Bauablaufplanung sowie die Einbindung interner und externer Stakeholder wie Zulieferer oder Technologiepartner.

Zur Frage, wie weit wir davon entfernt sind, würde ich sagen: Auch hier, wie bei so vielem – ist die Zukunft schon eingetreten, aber ungleich verteilt. Teile der Industrie sind schon sehr nah dran an der Fabrik der Zukunft, während in anderen Fällen bestimmte Prozesse in einer Fabrik schon hochgradig automatisiert sind. Was fehlt, ist die übergreifende Vernetzung von Daten. In der Realität gibt es strukturierte und unstrukturierte Daten, Papier, analoge Whiteboards, all das muss im ersten Schritt zusammengeführt werden.

Wir sehen diese Entwicklung als einen Pfad: Von einem einheitlichen digitalen Workflow („Today“) über die Konvergenz ganzer Industrien („Mid-Term“) bis hin zur KI-gestützten Cloud („Long-Term“). Die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz, insbesondere beim Erfassen und Verarbeiten von Daten, stimmt mich positiv, dass wir hier in den nächsten fünf Jahren signifikante Fortschritte machen können, zumindest wenn Unternehmen das auch wollen.

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Alexander Stern ist Manufacturing Platform Stategy Lead bei Autodesk.
Alexander Stern ist Manufacturing Platform Stategy Lead bei Autodesk.

Sie haben es schon erwähnt: Künstliche Intelligenz spielt auch bei Ihnen eine wichtige Rolle: Welche Rolle spielt sie genau in Ihren aktuellen Lösungen und wo sehen Sie das größte Potenzial?

Stern: KI ist längst integraler Bestandteil unserer Lösungen. Ein gutes Beispiel ist Autodesk Fusion, unsere Branchen-Cloud für Design und Fertigung, wo wir KI unter anderem im Bereich Generatives Design einsetzen. Hier hilft die KI dabei, innerhalb kürzester Zeit auf Basis klar definierter Anforderungen zahlreiche Designvarianten zu entwickeln, die sowohl funktional als auch ressourceneffizient sind.

Ein anderes Beispiel: Machine-Learning-Funktionen etwa in der Simulation oder im sogenannten Commissioning-Prozess, also der Inbetriebnahme. Ziel ist es, Abläufe nicht nur zu automatisieren, sondern auch intelligenter zu machen, zum Beispiel durch das frühzeitige Erkennen von Problemen oder Optimierungspotenzialen.

Das größte Potenzial sehen wir vor allem dort, wo KI hilft, komplexe Datenmengen besser zu verstehen und nutzbar zu machen. Entscheidend ist für uns dabei immer: KI soll den Menschen unterstützen, nicht ersetzen.

Mit FlexSim und digitalen Zwillingen bietet Autodesk Werkzeuge zur Prozesssimulation. Wie helfen diese konkret dabei, Produktionsengpässe zu vermeiden oder Fabriken effizienter zu gestalten?

Stern: Mit FlexSim und digitalen Zwillingen können Unternehmen ihre Produktionsprozesse inklusive der Materialflüsse, einzelnen Produktionsschritte und eingesetzten Ressourcen wie Maschinen, Personal oder Transportmitteln realitätsnah abbilden. Der große Vorteil daran: Engpässe oder Ineffizienzen lassen sich so frühzeitig erkennen bevor sie in der realen Produktion zum Problem werden. Unternehmen können verschiedene Szenarien durchspielen, Alternativen testen und so fundierte Entscheidungen treffen, etwa bei der Umplanung von Abläufen, der Optimierung von Layouts oder dem Einsatz von Ressourcen.

Am Ende bedeutet das: weniger Stillstand, bessere Auslastung und insgesamt ein effizienterer Betrieb.

Vor allem mittelständische Maschinenbauer kämpfen mit der Integration neuer Technologien in bestehende Systeme. Wie unterstützt Autodesk hier?

Stern: Gerade im Mittelstand fehlt es oft nicht an Innovationswillen, sondern an Zeit, Ressourcen oder kompatiblen Lösungen. Genau hier setzen wir mit der Autodesk Design & Make Platform an. Unsere Tools sind so konzipiert, dass sie auch in bestehenden Systemlandschaften einfach zu integrieren und schnell produktiv einsetzbar sind.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema Product Lifecycle Management (PLM): Während klassische Enterprise-Lösungen oft Jahre zur Einführung brauchen, ermöglichen wir das in Wochen oder wenigen Monaten mit deutlich geringerer Komplexität und klarer Time-to-Value für mittelständische Unternehmen. Gleichzeitig profitieren KMUs aber natürlich von der gleichen Technologie wie Großunternehmen. Das heißt bei uns: Zukunftstechnologien wie cloudbasierte Zusammenarbeit, Automatisierung und KI sind auch ohne riesige Vorlaufkosten oder IT-Aufwand für kleinere Teams zugänglich.

Letztendlich muss es immer darum gehen, Barrieren zu senken und den Einstieg in moderne, digitale Prozesse so leicht wie möglich zu machen.

Können Sie ein Beispiel nennen: Wie verändert sich durch KI und Simulation die klassische Fabrikplanung?

Stern: KI und Simulation verändern die klassische Fabrikplanung vor allem durch mehr Transparenz, bessere Zusammenarbeit und fundiertere Entscheidungen grundlegend. Allerdings läuft noch lange nicht alles reibungslos: Ein zentrales Problem in der Planung ist oft die Koordination der verschiedenen Gewerke: Architekten, Anlagenplaner, Haustechnik, Logistik, alle arbeiten mit unterschiedlichen Daten und Systemen. Unser Ansatz ist es, eine gemeinsame Datenbasis in Form eines digitalen Zwillings zu schaffen, an dem alle Beteiligten gleichzeitig arbeiten können. Dazu kommen KI und Simulation.

Ein gutes Beispiel dafür ist unser Autodesk Technology Center in Birmingham. Dort wurde eine komplette Fertigungsumgebung inklusive Maschinen, Materialflüssen, Infrastruktur und Personalbewegungen virtuell abgebildet. Alle Gewerke konnten so in einer synchronisierten Umgebung planen und testen.

Das Ergebnis: eine deutlich effizientere Umsetzung, kürzere Abstimmungswege und ein Fertigungsbereich, der von Anfang an auf reibungslose Abläufe ausgelegt ist. Genau deshalb dient das Projekt als Blaupause für eine moderne, kollaborative und KI-gestützte Fabrikplanung.

Wie adressiert Autodesk das Thema Nachhaltigkeit in der digitalen Fabrik?

Stern: Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil moderner Fabrikplanung. Mit unseren Lösungen ermöglichen wir es deshalb, Nachhaltigkeitsziele direkt in die digitalen Prozesse zu integrieren – von der ersten Planung bis in den laufenden Betrieb.

Wie das konkret aussieht, lässt sich beispielweise an unserem offenen Plattformansatz erkennen, der die Integration spezialisierter Tools ermöglicht. So unterstützt etwa das Drittanbieter-Modul Flexcon Helios für FlexSim Nutzer dabei, Energieverbrauch, CO₂-Emissionen und energiekostenabhängige Faktoren direkt in Simulationen und digitale Zwillinge einzubinden. Unternehmen können damit ihren Maschinenpark auf Energieeffizienz trimmen, den Strombedarf besser vorhersagen und indirekte Emissionen frühzeitig berücksichtigen.

Auch unser breiterer Simulationsansatz trägt zur Nachhaltigkeit bei: Mit digitalen Zwillingen lassen sich Materialflüsse, Maschinenlaufzeiten und Produktionsprozesse so optimieren, dass Downtime minimiert, Ressourcen geschont und unnötiger Energieeinsatz vermieden wird.

Ein oft unterschätzter Faktor ist außerdem das Thema Wasser, ganz konkret im Hinblick auf Verbrauch, Qualität oder Überschwemmungsrisiken durch den Klimawandel. Mit unserem Water Solutions Portfolio lassen sich diese Aspekte mithilfe eines „Water Digital Twin“ analysieren und auf Nachhaltigkeitsziele hin optimieren.

Kurz gesagt: Wir stellen die digitalen Grundlagen bereit, damit Nachhaltigkeit datenbasiert, planbar und direkt in den betrieblichen Alltag integriert werden kann.

Zum Schluss: Welche technologischen Entwicklungen werden Ihrer Meinung nach die industrielle Fertigung in den nächsten fünf Jahren am stärksten prägen?

Stern: Zum einen fasziniert mich persönlich gerade der Trend zur Microfactory: Also kleingliedrige, lokal organisierte Fertigungseinheiten, die deutlich flexibler, dezentraler und oft auch nachhaltiger produzieren können. In Kombination mit der Demokratisierung von CAD- und Fertigungstechnologien, die dafür sorgen werden, dass wirklich jeder eigene Produkte digital entwerfen und herstellen kann, entsteht hier eine spannende Schnittstelle zur Maker-Bewegung und deren Plattformen. Das öffnet ganz neue Nischenmärkte und bietet vor allem kleinen Akteuren die Chance, ohne große Stückzahlen oder riesige Infrastruktur professionell zu fertigen.

Parallel dazu verfolge ich mit großer Neugier die Fortschritte bei humanoiden Robotern und autonomen, mobilen Systemen. Hier sehen wir technologisch wie auch ökonomisch aktuell eine enorme Dynamik. Sollte sich der oft zitierte „Tipping Point“ bewahrheiten, könnten diese Systeme schon bald eine deutlich größere Rolle in der Fertigung und Logistik spielen, gerade in Bereichen, wo heute noch viel manuell geschieht oder Fachkräfte schwer zu finden sind.

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FAQ: Die intelligente Fabrik der Zukunft mit Autodesk

1. Was versteht Autodesk unter der „intelligenten Fabrik der Zukunft“?
Die intelligente Fabrik der Zukunft ist ein vollständig vernetztes, digitales Ökosystem, das alle Phasen von Planung und Design über Bau bis zum Betrieb integriert. Zentrale Elemente sind digitale Zwillinge, vorausschauende Instandhaltung, durchgängige Bauablaufplanung sowie die Einbindung aller relevanten Stakeholder.

2. Wie helfen digitale Zwillinge und Simulationen, Produktionsengpässe zu vermeiden?
Mit Lösungen wie FlexSim lassen sich Produktionsprozesse inklusive Materialflüssen, Personal, Maschinen und Logistik realitätsnah abbilden. So können Unternehmen Engpässe erkennen, bevor sie auftreten, verschiedene Szenarien durchspielen und fundierte Entscheidungen treffen – etwa bei Layoutplanung oder Ressourceneinsatz.

3. Welche Unterstützung bietet Autodesk speziell für mittelständische Unternehmen?
Autodesk setzt auf einfache Integration und schnelle Implementierung. Die cloudbasierte Design & Make Platform ermöglicht es KMU, zukunftsweisende Technologien wie KI und Automatisierung ohne große IT-Aufwände zu nutzen. Besonders bei Themen wie PLM profitieren Mittelständler von niedriger Komplexität und schneller Time-to-Value.

4. Wie trägt Autodesk zur nachhaltigen Fabrikplanung bei?
Nachhaltigkeit ist direkt in die digitalen Prozesse integrierbar. Mithilfe von Drittanbietern wie Flexcon Helios lassen sich Energieverbrauch, CO₂-Ausstoß und Betriebskosten simulieren. Auch der Wasserverbrauch wird durch das Water Solutions Portfolio optimiert – inklusive Analyse von Risiken durch Klimawandel.

5. Welche Technologien könnten die industrielle Fertigung in den nächsten fünf Jahren prägen?
Zwei Trends stechen hervor: Microfactories – also kleine, flexible und dezentrale Produktionseinheiten – sowie humanoide Roboter und autonome Systeme. Letztere könnten bald eine zentrale Rolle in Fertigung und Logistik spielen, vor allem dort, wo heute noch manuelle Arbeit dominiert oder Fachkräftemangel herrscht.