
Marc Raibert mit dem Boston-Dynamics-Roboter Spot. (Bild: Dassault Systèmes)
Marc Raibert ohne Robotik? Eigentlich unvorstellbar. „Ich liebe Robotik“, sagt der Gründer und ehemalige CEO von Boston Dynamics. Der Amerikaner ist eine zentrale Figur in der Welt der Robotik und hat maßgeblich zur Entwicklung dynamischer, selbstbalancierender Roboter beigetragen. Die Videos von Atlas und Roboterhund Spot wurden millionenfach auf YouTube geklickt.
Inzwischen hat er seinen Fokus etwas verlagert und ist Executive Director des Boston Dynamics AI Institutes (RAI Institute), ehemals The AI Institute. Es wurde 2022 gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, die wichtigsten und grundlegendsten Herausforderungen in den Bereichen Robotik und Künstliche Intelligenz zu lösen. Dazu zählen zum Beispiel Roboter, die noch intelligenter, agiler und vielseitiger sind.
„Das RAI Institute verbindet die Körperlichkeit der Robotik, die ich athletische Intelligenz nenne, mit dem Gehirn der AI und der kognitiven Intelligenz der Robotik“, erklärte Raibert auf der 3D Experience World, einer Konferenz von Dassault Systèmes. „Ich bin überzeugt, dass die enge Verzahnung von physischer Welt und künstlicher Intelligenz der Schlüssel zu bedeutendem Fortschritt ist“, so Raibert weiter.
Das Institut versteht sich als Forschungslabor. „Wir haben keine Produkte und mein Ehrgeiz ist es, keine Produkte zu haben, damit wir uns auf die langfristigen Möglichkeiten und Probleme in diesem Bereich konzentrieren können“, erklärte er. Sein Traum sei es, dass er die „Build-Labore“ seines Instituts zu einem reinen Spiel der Robotik und AI machen könne.
Das steckt hinter „Watch, Understand, Do“
So viel zur Theorie, in der Praxis gibt es derzeit einige Projekte, an denen Raibert mit seinem Team arbeitet. Eines davon heißt „Watch, Understand, Do“. Anstatt dass Menschen jede Aufgabe des Roboters programmieren, soll der Roboter das selbst machen. Raibert erklärte das Prinzip so: „Wir möchten, dass der Roboter jemandem bei einer Aufgabe zusieht, versteht, was er sieht, versteht, welche Fähigkeiten zur Ausführung der Aufgabe benötigt werden oder diese Fähigkeiten lernt und sie dann selbst ausführt.“
Momentan ist das laut des Robotik-Experten noch Science Fiction. Aber das Institut versuche diese Vision in den nächsten Jahren Realität werden zu lassen. Unter anderem in der häuslichen Umgebung sieht Raibert „Watch, Understand, Do“ Anwendungsfälle.
Ein weiteres Projekt: Roboter, die ein „Situationsbewusstsein“ haben und zum Beispiel Parkour-Situationen meistern können. Damit ist das RAI Institute nach 1,5 Jahren Entwicklung schon weiter. Ein Video zeigt, wie das „Ultra Mobile Vehicle“ fährt, springt und wendet.
Das „Ultra Mobile Vehicle“ in Action
Reinforcement Learning als Lösung?
„Wir haben begonnen, Reinforcement Learning zu verwenden, um das Gleichgewicht zu erreichen“, erklärte Raibert.
Reinforcement Learning, also „Verstärkungslernen“, ist ein Bereich des maschinellen Lernens, bei dem ein Agent lernt, durch Interaktionen mit seiner Umgebung optimale Entscheidungen zu treffen. Der Agent erhält Belohnungen oder Strafen basierend auf seinen Aktionen und passt sein Verhalten an, um die kumulative Belohnung zu maximieren.
Der Mechanismus, der das Fahrrad zum Springen bringt, wurde dabei zunächst mit Hilfe der Solidworks Software von Dassault Systèmes entworfen und simuliert.
Das Ziel sei, KI und Planung zu kombinieren, so Raibert. Roboter sollen also die Welt um sich betrachten und dabei Hindernisse erkennen und eben planen, wie sie von einer Stelle zur anderen springen können. Durch das Reinforcement Learning kann das Roboter-Fahrrad nun sogar auf Tische springen, die höher als der Roboter selbst sind. Auch schwierige Manöver wie das Rückwärtsfahren werden dadurch beherrschbar.
Mit Hilfe von Reinforcement Learning wurde im Übrigen auch Spot – der millionenfach geklickte Roboterhund – viel schneller. Die Standard-Höchstgeschwindigkeit von Spot beträgt 1,6 Meter pro Sekunde (m/s). Der Spot von RAI erreichte eine Geschwindigkeit von 5,2 m/s.
Den Geschwindigkeitsunterschied können Sie im Video sehen:
Um das möglich zu machen, haben die Forscherinnen und Forscher mit Hilfe von Simulationen riesige Mengen an Daten gesammelt. „Wir führen etwa vier Millionen Simulationen durch“, so Raibert.
Die Beispiele zeigen: Das Institut arbeitet an seinem Ziel, die versteckten Grenzen der Roboterhardware zu überwinden, die mit klassischen Steuerungsalgorithmen nicht erreicht werden.
Das schürt natürlich auch Ängste. „Ich denke, dass KI und Robotik die Möglichkeit haben, genauso viele Probleme zu lösen, wie sie schaffen“, sagte Raibert angesprochen auf den Einsatz von Robotik und KI als Kriegswaffe. „Ich denke, dass Technologen sowie Regulierungsbehörden und Unternehmen ein Gleichgewicht finden und einige der Probleme lösen können, die die neue Technologie mit sich bringt. So, wie es bei den Sprachmodellen der Fall ist“, meinte er außerdem.
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Die Autorin: Anja Ringel
Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.
Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.
Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.