Kongress 'Digitale Fabrik'

Wie der Digitale Zwilling Produktion und Planung verändert

Was früher Vision war, wird jetzt Praxis: Auf dem Kongress Digitale Fabrik 2025 demonstrierten Branchengrößen, wie der Digitale Zwilling, KI und Cloud-Technologien die Produktionswelt revolutionieren – von der Planung bis zur Echtzeitoptimierung.

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Ob bei der Fabrikplanung oder beim Fahrzeugbau - der digitale Zwilling sowie KI sind künftig nicht mehr wegzudenken, wie auf dem Kongress 'Digitale Fabrik' in Neckarsulm deutlich wurde.
Ob bei der Fabrikplanung oder beim Fahrzeugbau - der digitale Zwilling sowie KI sind künftig nicht mehr wegzudenken, wie auf dem Kongress 'Digitale Fabrik' in Neckarsulm deutlich wurde.

Unter dem Motto 'Digitaler Zwilling in der Anwendung' bot der Kongress Digitale Fabrik 2025 eine Plattform für Entscheider*innen, Expert*innen und Innovator*innen aus dem Bereich der digitalen Produktionsplanung und -transformation. Die Veranstaltung vereinte aktuelle Entwicklungen mit Best Practices aus der Industrie – mit besonderem Fokus auf Künstliche Intelligenz, Skalierbarkeit und Datendurchgängigkeit.

Professor Frank Mantwill (HSU Hamburg) moderierte die Veranstaltung und fungierte zugleich als Vorsitzender des Fachbeirats. Flankiert wurde er von Franziska Blume (Ultima Media Germany GmbH), die als Bereichsleitung maßgeblich zur Organisation beitrug.

Einblicke in Forschung und Praxis bot unter dem Aspekt Digitales Universum & KIChackrapani Nalavade von Schaeffler Technologies AG & Co. KG. Er zeigte, wie virtuelle Welten wie das Omniverse als Trainingsumgebung für die Produktion dienen können. Dazu trugen auch Markus Herhoffer von EXP Software GmbH und Jochen Müller von John Deere vor, die eine KI-gestützte Plattform zur Synchronisierung komplexer Produktstrukturen zwischen Fabrikplanung und -entwicklung vorstellten.

Kongress Digitale Fabrik: Das sagen die Referenten

Ckackrapani Nalavade
Ckackrapani Nalavade, Advanced Automation Technologies bei Schaeffler Technologies, beschreibt die Entwicklungen in der Robotik und deren Integration in die Produktionsprozesse, insbesondere durch den Einsatz von Simulationstechniken und künstlicher Intelligenz. "Von Bedeutung sind virtuelle Trainingsumgebungen und Simulationen zur Verbesserung der Roboterleistung und Flexibilität", sagt Nalavade. Zudem unterstreicht er die Zukunft der Robotik mit Konzepten wie humanoiden Robotern und der Entwicklung fortschrittlicher KI-Methoden.
Jochen Müller, John Deere
Zum Thema 'KI-gestützte Plattform für digitale Fabrikmodelle' sagt Jochen Mueller von John Deere: "Über die Vielzahl der Varianten müssen wir den Überblick behalten, denn statistisch gesehen bauen wir nur alle 7,6 Jahre eine baugleiche Maschine. Zudem haben wir 40 Prozent unserer Zeit gebraucht, um die richtigen Informationen zu finden", sagt Müller. Durch die Schaffung eines digitalen Zwillings seien sämtliche Daten erfasst, die zuvor in verschiedenen Tools abgespeichert waren. "Hat es ursprünglich 45 Minuten gedauert, einen kompletten Traktor im System zu öffnen, dauert dies jetzt nur noch knapp 45 Sekunden", betont Müller. Somit seien die Daten hinterlegt, immer verfügbar und das lange Suchen von Informationen gehöre der Vergangenheit an. "Wir können in Echtzeit Probleme lösen", freut er sich.
Markus Herhoffer von EXP Software GmbH
... und Markus Herhoffer von EXP Software GmbH pflichtet ihm bei: "Der Digital Thread - eine Reihe digitaler Zwillinge - setzt sich auf die bestehenden Daten drauf. Das Ganze kann nur mittels AI funktionieren." Diese werde immer wieder wissenschaftlich überprüft, damit das Halluzinieren der KI ausgeschlossen werden könne.
Kai Druglat, Dassault Systèmes
Kai Druglat von Dassault Systèmes beschreibt die Entwicklung und Skalierbarkeit der 3D Experience Plattform von Dassault Systèmes. Er erklärt, wie die Plattform über die letzten zehn Jahre durch eine integrierte PLM-Lösung weiterentwickelt wurde, um Datenvernetzung zu ermöglichen und verschiedene technische Anwendungen zu unterstützen. Key Themen sind die Philosophie hinter der Plattform sowie Herausforderungen und Zukunftsperspektiven.
Andreas Kühne, Audi AG
Andreas Kühne von der Audi AG gibt einen spannenden Einblick in den Einsatz von KI bei dem OEM. "Wir wollen KI flächendeckend einsetzen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können", sagt Kühne. Die KI solle nachhaltig und skalierbar eingesetzt werden. "Vor allem müssen wir aber auch unsere Mitarbeiter mitnehmen, damit sie auch Vertrauen in die KI haben", beschreibt Kühne. Es werde zudem kein Mitarbeiter gezwungen, KI zu nutzen.
Philipp Jussen, Schaeffler Monitoring Services GmbH
Philipp Jussen von der Schaeffler Monitoring Services GmbH erklärt, wie Wälzlager produktiver werden können. Vor allem durch den Einsatz von KI kann die Überwachung von Maschinen und deren Komponenten deutlich vereinfacht werden. "Allerdings sollte man sich von der falschen Hoffnung verabschieden, via Predictive Maintenance den Ausfall einer Maschine zeitlich exakt vorhersagen zu können", räumt Jussen mit falschen Vorstellungen auf.
Thomas Bär, Daimler Buses
Thomas Bär von Daimler Buses GmbH beschreibt, dass der Busherstellers in Neu-Ulm jährlich 2000 Busse fertigt und dabei auf eine Vielzahl von Kundenwünschen eingehen muss. Dazu erwähnt er die Twin Map, deren Ziel es sei, die Teilefertigung zu optimieren und einen digitalen Zwilling des heterogenen Maschinenparks zu entwickeln.
Jonas Zöller, Trumpf
Jonas Zöller von der Firma Trumpf, führt den Dialog fort und erläutert die Rolle des digitalen Zwillings in der Produktion. Er erklärt, dass der Begriff 'digitaler Zwilling' häufig unterschiedlich interpretiert werde und verdeutlicht die Komplexität durch verschiedene Definitionen und Anwendungsfälle. Trumpf entwickele digitale Zwillinge in mehreren Stufen – von einer einfachen virtuellen Maschine bis hin zu einem umfassenden Modell, das physische und Steuerungsparameter simuliere.
Oliver Rehmann, Trumpf
Oliver Rehmann von Trumpf spricht über Sicherheitsbedenken und IP-Schutz beim Teilen digitaler Zwillinge. Es werden Lösungen diskutiert, wie eine sichere Nutzung der digitalen Zwillinge ermöglicht werden könne, ohne sensible Daten preiszugeben. Zwei technische Ansätze werden vorgestellt: Wireguard und MQTT, die beide Möglichkeiten bieten, wie externe Parteien mit dem digitalen Zwilling interagieren können.
Denis Pfeifer, ISG GmbH
Denis Pfeifer von der ISG GmbH erläutert weitere technische und organisatorische Herausforderungen, insbesondere die Integration verschiedener Maschinenmodelle und Simulationssoftware. Diese Integration sei notwendig, um umfassende digitale Zwillinge zu schaffen, die die gesamte Anlagenlandschaft eines Herstellers abbilden könnten. Es gebe besondere Schwierigkeiten mit alten Maschinen, für die oft keine Simulationsmodelle existierten.
Michael Ach (BMW Group)
Michael Ach (BMW Group) stellt das Projekt 'Diamond' vor, das vor drei Jahren gegründet worden ist. Bei der Zusammenarbeit mit mehreren Partnern habe es viele Daten - auch in Papierform - gegeben: Die grundlegende Frage war laut Ach, wie man Daten sauber in die Fabrik des OEM bekomme - und zwar als common data, zugänglich für alle. "Favorisiert ist heute die Verwaltungsschale, aber als OEM ist man stark involviert im Thema Automation ML, so dass man am besten beides kombiniert", beschreibt Ach. Dabei habe man nachfolgende Prozesse betrachtet: Werkzeugentstehung, Fabrikdaten, Layout der Halle, elektrische und mechanische Planung, Robotersimulationen, etc. 280 Dokumente seien dabei entstanden. "Das Ziel ist eine herstellerunabhängige, neutrale Betrachtung zu erreichen", findet Ach.
Wolfgang Schlögl, Siemens AG
Zu diesem Thema ergänzt Wolfgang Schlögl von der Siemens AG, dass man es geschafft hat, ein Modell zu definieren, das den Anlagenprozess neutral abbilden kann. "Einzelmaschinen mit der Verwaltungsschale abbilden geht, aber mehrere, eine gesamte Fabrik? Er kennt keine", schränkt Schlögl ein. In der Praxis seien die Anwendungen, die Tools heterogen. Die Integration mit Blick auf Automation sei derzeit noch Mangelware. Dazu brauche es Offenheit. Doch Schlögl gibt sich zuversichtlich: "Wir arbeiten mit BMW und Mercedes zusammen. Im Herbst will und werde man einen Gesamt-Demonstrator vorstellen."
Manuel Paul, Festo
Dazu erklärt Manuel Paul von Festo die datentechnische Umsetzung von Diamond. "Die Komponentenhersteller stellen dies in Form der Verwaltungsschale bereit. Alles, was im Anlagenengineering entstanden ist, könne man so bereitstellen." Darin müsse etwa die Global Asset ID enthalten sein, was die Minimalanforderung zur Integration sei. Das ermögliche auch ein schlankeres Engineering. "Damit ist die Grundlage geschaffen, vom Anlagenhersteller neue Infos anzufordern", beschreibt Paul.
Alexander König, Volkswagen AG
Zum Thema Pilotierung und Einführung der 'Infrastructure Cloud' anhand eines Fabrikneubauprojektes weiß Alexander König von der Volkswagen AG Spannendes zu berichten: "Wir als Volkswagen beleben die Marke 'Scout' in den USA neu. Denn wir sind für den Hochlauf des Fabrikneubaus in South Carolina verantwortlich - anhand unserer Infrastructure Cloud. Diese rollen wir weltweit aus." Darin werde ein Infrastruktur-Zwilling abgebildet. "Das Planungsmodell des gesamten Fabrikneubaus aktualisiert sich selbständig, sobald neue Bauteile und Komponenten angeliefert werden", erklärt König.
Mathias Gebler, Volkswagen AG
Mathias Gebler von der Volkswagen AG sagt, dass im Konzern eine umfassende Erneuerung der Software für Prozessplanung und Optimierung anstehe. "Der bestehende 'Arbeitsplan' wird durch das neue 'Human Work Planning' (HWP) ersetzt, das moderne Cloud-Technologien nutzt und die Planungseffizienz steigern soll", so Gebler. Das Rollout von HWP sei in vollem Gange und werde bis 2025 abgeschlossen sein, um in der globalen Produktion des Konzerns Optimierungen zu erzielen.
Alexander Stolz und Lennart Raap von Ingenics
Alexander Stolz und Lennart Raap von Ingenics diskutieren in ihrem Vortrag die Herausforderungen und Chancen der digitalen Fabrikplanung im Kontext des Metaverse. Sie geben einen Überblick über den Einsatz von fortschrittlichen Technologien wie BIM und verschiedenen Plattformen zur Verbesserung der Planung und Umsetzung von Fabrikprozessen. Sie zeigen auf, dass das Metaverse eine wichtige Rolle bei der Integration und dynamischen Zusammenarbeit in der Fabrikplanung spielen könnte, obwohl viele dieser Möglichkeiten noch Visionen sind, die technische und koordinative Hürden überwinden müssen.
Martin Langosch (BMW AG) Christian Kober (links) HSU Hamburg & CTC GmbH
In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Nutzen bei der Erstellung eines Digital Twin? Unter diesem Aspekt beschreibt Christian Kober (HSU Hamburg & CTC GmbH, links im Bild), wie man einen digitalen Zwilling am besten entwickelt: "Ein digitaler Zwilling muss use case getrieben sein und sollte nicht entwickelt werden, weil ein Wettbewerber einen verwendet. Er muss immer basierend auf der Zielstellung entwickelt werden." Bei BMW fragt man sich laut Martin Langosch (BMW AG), was denn der business impact eines digitalen Zwillings ist. "Das besprechen wir mit den Werken und den Planungsstellen", erklärt Langosch.
Marc Geckeler von der Porsche AG
Marc Geckeler von der Porsche AG Text beschäftigt sich mit der digitalen Transformation der Produktion bei Porsche. Der Schwerpunkt liege auf der Integration von Technologien wie KI und Metaverse in die Produktionsprozesse, um die Effizienz zu steigern und die Herausforderungen, insbesondere die instabilen Lieferketten, zu bewältigen. Außerdem werde die Rolle des digitalen Zwillings und die Bedeutung von durchgängigen Datenbasen sowie innovativen Trainingsmethoden besprochen sowie forciert.
Thomas Sobottka (Fraunhofer Austria)
Thomas Sobottka (Fraunhofer Austria) erklärt, wie man die Energieplanung mit einem digitalen Zwilling erreichen kann. "Der digitale Zwilling ist dabei ein Lösungsansatz, die energetischen Herausforderungen der Unternehmen zu lösen. Gegenüber einer manuellen Planung hat die Tool-Lösung ein Optimierungspotenzial von zehn bis 20 Prozent", erklärt Sobottka.
Sven Müller, Audi AG
Sven Müller von der Audi AG beschreibt das Projekt 'Edge Cloud for Production'. "Unser Ziel ist es, die Produktionsinfrastruktur durch eine private Cloud zu modernisieren, um Software-Updates effizienter zu gestalten und die IT näher an die Produktion zu bringen." Damit möchte Audi langfristige Stabilität und flexible Fertigungsmöglichkeiten vereinen, um den Herausforderungen der Automobilbranche gerecht zu werden.

Wie nutzen Audi und Schaeffler KI und Datenplattformen?

Ein besonderes Highlight bot die exklusive Werksführung bei Audi in den Böllinger Höfen. NebenEinblicken in die Fertigung des vollelektrischen e-tron GT gab es noch die Info, dass künftig vor Ort ein Modell von Lamborghini gefertigt werden soll.

Zum Thema Skalierbarkeit & KI in der Praxis referierten drei Vortragende.Kai Druglat von Dassault Systèmes erklärte, wie durch eine skalierbare Datenbasis auf der 3DExperience Plattform digitale Fabriken nachhaltig umgesetzt werden können. Andreas Kühne von der Audi AG wiederum beleuchtete Chancen und Herausforderungen beim Einsatz von KI in der Audi-Produktion und Philipp Jussen von der Schaeffler Monitoring Services GmbH sprach über realistische Nutzenversprechen und Zukunftsperspektiven der Predictive Maintenance.

Das Thema Digitaler Zwilling in der Anwendung beleuchteten vier Referenten. Thomas Bär von Daimler Buses GmbH stellte Anforderungen und Nutzungsmöglichkeiten digitaler Anlagenzwillinge aus Sicht eines OEMs vor. Jonas Zöller und Oliver Rehmann (beide von Trumpf) zeigten, wie der Digitale Zwilling in der Lasertechnik produktiv eingesetzt wird. Denis Pfeifer von derISG GmbH ergänzte aus Forschungsperspektive die technische Umsetzung in der Simulationstechnik.

Digitaler Zwilling in der Anwendung

Am zweiten Kongresstag wurde zunächst das Thema Digitaler Zwilling in der Anwendung fortgeführt.Michael Ach (BMW Group), Manuel Paul (Festo SE & Co. KG) und Wolfgang Schlögl (Siemens AG) präsentierten gemeinsam das Diamond-Projekt mit Perspektiven für OEMs, Komponentenhersteller und Softwareanbieter.

Dem Thema Cloud-Technologien im Fabrikneubau widmeten sich zwei Referenten. Alexander König (Volkswagen AG) berichtete von der Pilotierung der 'Infrastructure Cloud' bei Scout Motors (Blythewood) – einem zukunftsweisenden Fabrikneubauprojekt in South Carolina. Mathias Gebler, ebenfalls von der Volkswagen AG, stellte das neue Prozessplanungssystem HWP als Cloud-Lösung im Hallenlayout vor.

Über das Industrial Metaverse referiertenAlexander Stolz und Lennart Raap von Ingenics. Sie zeigten, wie Planungs- und Simulationsmodelle im Metaverse visualisiert und genutzt werden können – ein spannender Ausblick auf die Fabrik der Zukunft.

Fachkongress Fabrikplanung

Fachkongress Fabrikplanung

Auf dem 21. Fachkongress Fabrikplanung treffen sich unter anderem Fabrikplaner:innen, Werksleiter:innen und Ingnieur:innen, um über die Herausforderungen der Branche zu diskutieren.

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Welchen realen Mehrwert liefern Digitale Zwillinge?

In welchem Verhältnis Aufwand & Nutzen Digitaler Zwillinge steht - darüber referierten vier Vortragende.Martin Langosch (BMW AG) und Christian Kober (HSU Hamburg & CTC GmbH) diskutierten anhand konkreter Beispiele aus der Automobilindustrie, wie ein Digitaler Zwilling entwickelt wird – mit Fokus auf tatsächlichen Mehrwert. Marc Geckeler von der Porsche AG sprach über die Rolle digitaler Zwillinge bei der digitalen Transformation vernetzter Produktionssysteme und Thomas Sobottka (Fraunhofer Austria) erklärte, wie Digitale Zwillinge die Energieflexibilität von Fabriken erhöhen und Energiekosten minimieren können.

Über das Thema IT/OT Konvergenz berichtete last but not least Sven Müller von der Audi AG. Er stellte das Projekt 'Edge Cloud 4 Production' vor – eine hyperkonvergente Infrastruktur zur Virtualisierung industrieller Steuerungssysteme.