Verschiedene Menschen unterschiedlicher Hautfarben legen ihre Hände aufeinander

Immer mehr Unternehmen fördern Diversität. - (Bild: Kostiantyn - stock.adobe.com)

Nur rund ein Drittel der deutschen Unternehmen fördert Diversität am Arbeitsplatz. „Ein Drittel – das ist eine drastische Aufforderung zum Handeln“, sagte Agnes Heftberger, Sales-Geschäftsführerin bei IBM und Mitglied der Initiative Chefsache. Ebenfalls ein Drittel der Beschäftigten fühlen sich am Arbeitsplatz nicht ermutigt, die eigene Perspektive einzubringen. Und fast 30 Prozent der Beschäftigten haben nicht das Gefühl, dass Vertrauen und Respekt unter den Beschäftigten herrschen. 

Das sind drei der Ergebnisse des Inclusion Pulse Check. Inklusion beeinflusse auch, in welchem Ausmaß sich die Vorteile von Diversität auf unternehmerische Entscheidungen auswirken können. Die Initiative Chefsache hat deshalb im Rahmen ihres Jahresreports 2021 den Inclusion Pulse Check veröffentlicht, der erstmals systematisch erfasst, welche Rolle Inklusion als wichtiger Treiber für mehr Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen in Unternehmen in Deutschland einnimmt.

Die Initiative Chefsache ist ein Netzwerk von Unternehmen, der Wissenschaft und Medien, die den Wandel zu mehr Chancengerechtigkeit gemeinsam vorantreiben wollen. Mitglieder sind unter anderem Kion, Siemens und Volkswagen.

Weitere Ergebnisse: Weniger als ein Drittel der Beschäftigten haben nicht das Gefühl, dass alle Mitarbeitenden gemeinsam als Team auftreten und an einem Strang ziehen. 29 Prozent der Beschäftigten fühlen sich im Arbeitsumfeld unfair behandelt.

Flexible Arbeitszeit ist nur zu einem Drittel möglich

Beim Thema New Work kommt die Initiative zum Schluss: „Das Potenzial von New Work wird im Zuge der Pandemie nicht voll ausgeschöpft.“ Auf der einen Seite halten laut einer repräsentativen Umfrage 63 Prozent der Frauen eine flexible, zeitliche Arbeitseinteilung für wichtig zur Steigerung der beruflichen Chancengleichheit. Auf der anderen Seite haben nur 30 Prozent der Befragten die Möglichkeit, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Im September 2020 waren es noch 37 Prozent.

Zudem wünschen sich zwei Drittel der Befragten, die vermehrt im Homeoffice gearbeitet haben, den gewohnten Arbeitsablauf zurück.  45 Prozent sagten außerdem in der Initiative-Chefsache-Umfrage, dass Teilzeit einen negativen Einfluss auf die Karriereentwicklung habe. Bei Männern war der Anteil sogar bei 52 Prozent. Die Initiative hat die Ergebnisse heute auf ihrer Jahrestagung vorgestellt.

„Es kann nicht sein, dass unsere beste Antwort auf die Pandemie ein Zurück in die alte Welt der Arbeit bedeutet. Noch schlimmer ist eine neue Art der Hybrid-Arbeit, die nicht im Sinne des Erfinders ist: Der Mann geht zurück in die Vollzeitarbeit im Büro und die Frau arbeitet Teilzeit aus dem Home-Office“, sagt Julia Sperling, Partnerin bei McKinsey und Leiterin des Koordinationsteams der Initiative Chefsache. „Leider deuten die Umfrage-Ergebnisse genau darauf hin: Männer in Teilzeit werden stereotypisiert, die Möglichkeit für breitere Flexibilisierung nimmt ab. Und unterschiedliche Perspektiven werden nicht ermutigt.“  

Von Audi bis Siemens: Beispiele aus der Industrie

Doch es gibt auch positive Beispiele. Immer mehr Unternehmen, engagieren sich mit konkreten Initiativen in den Bereichen Diversity und New Work. Fünf Beispiele aus der Industrie:

  • Gendersensible Sprache bei Audi: Zur besseren Sichtbarkeit geschlechtlicher Vielfalt hat Audi im März die gendersensible Sprache eingesetzt und will so auch in der Kommunikation ein Zeichen für Gleichberechtigung setzen. Geregelt ist diese Neuerung in einer Unternehmensrichtlinie. In ihr ist beispielsweise beschrieben, dass alle Geschlechter und geschlechtlichen Identitäten gleichwertig und wertschätzend angesprochen werden sollen. Zuletzt ist die Neuerung in die Schlagzeilen geraten, nachdem ein VW-Mitarbeiter dagegen geklagt hat.
  • Auszeit bei Volkswagen: Der Autobauer finanziert seinen Mitarbeitenden seit kurzem eine Auszeit vor. Das Sabbatical-Modell „Meine Auszeit“ soll es allen Beschäftigten ermöglichen, „eine bedarfsgerechte und zeitnahe berufliche Auszeit von bis zu sechs Monaten“ zu nehmen. Volkswagen geht dafür finanziell in Vorleistung, und der oder die Beschäftigte muss erst im Anschluss an die Freistellung in das individuelle Wertguthabenkonto zurückzahlen.
  • Flexibilität bei der Deutschen Bahn: „Die Flexibilisierung von Arbeit ist ein wichtiger Schlüssel für mehr Chancengerechtigkeit und mehr Frauen in Führungspositionen“, sagt Martin Seiler, Vorstand Personal und Recht der Deutschen Bahn AG. Der Konzern schreibt deshalb alle geeigneten offenen Stellen in Teilzeit und optional auch in Vollzeit aus. Ziel dabei ist es, mehr Frauen anzusprechen.
  • BASF sensibilisiert bei Unconscious Bias: Unconscious Bias, also unbewusste kognitive Verzerrungen wie Stereotype, soll es bei BASF möglichst nicht mehr geben. Deshalb gibt es beim Konzern unter anderem Sessions zu diesem Thema, erklärte Michael Detmer aus dem Konzernbereich Diversity + Inclusion auf der Jahreskonferenz der Initiative Chefsache. Es habe sich gezeigt, dass dadurch immer mehr über das Thema gesprochen werde, sagte er.
  • Workshop für den Siemens-Vorstand: Auch Siemens beschäftigt sich mit Unconscious Bias und trainiert die Führungsriege, erklärte Arbeitsdirektorin Judith Wiese. Es werde außerdem viel darüber gesprochen, wie ein vertrauensbasiertes Führen gelingen kann. Zum Thema „Gender Diversity“ habe der komplette Vorstand demnächst zudem einen Workshop. Es gebe einen „Blumenstrauß an Dingen“ zu dem Thema, die aber nicht einmalig sein dürften, sagte Wiese. Eine Kulturveränderung könne man außerdem nicht nur alleine mit Vorschriften schaffen.

Einige Konzerne sind Frauenquote zuvor gekommen

Viele Unternehmen beschäftigt natürlich auch die Frauenquote, die vergangenen Freitag beschlossen wurde (ein Interview dazu finden Sie hier). Prof. Dr. Katharina Wrohlich, Leiter in der Forschungsgruppe Gender Economics beim DIW Berlin sagte auf der Tagung, viele Unternehmen hätten bereits vorausschauend gehandelt und in den vergangenen sechs Monaten Frauen in den Vorstand berufen. Das Gesetz habe so offenbar Antizipationseffekte ausgelöst und der Anteil der Frauen in den vom Gesetz betroffenen DAX-Vorständen ist von zwölf auf 16 Prozent gestiegen. Davor habe man für so einen Anstieg fünf Jahre gebraucht, so Wrohlich.

Diversität per se sei natürlich das wichtigste, sagte Sperling-Margo, Partnerin auf einer Pressekonferenz. Dennoch habe sich auch gezeigt, dass diverse Unternehmen eine um 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, als weniger diverse Firmen.

„Frauen müssen nicht gefördert werden, eine Beförderung würde es schon tun“, sagte zudem Unternehmerin und Autorin Tijen Onaran. Inklusion sei der Treiber für eine erfolgreiche Unternehmenskultur.

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