Industrie & Management

17. Jun. 2025 | 07:34 Uhr | von Anja Ringel

Maschinenbau im Wandel

Mehr Frauen in der Industrie: Was jetzt wichtig ist

Frauen sind im Maschinenbau weiter unterrepräsentiert. Doch die Zeiten wandeln sich – durch Projekte, Vorbilder und strukturelle Veränderungen entsteht eine neue Dynamik. Was sich ändern muss, damit mehr Ingenieurinnen in der Branche Fuß fassen.

Noch immer sind Ingenieurinnen im Maschinenbau unterrepräsentiert. Doch durch gezielte Projekte und Veränderungen soll sich das ändern.

Noch immer sind Ingenieurinnen im Maschinenbau unterrepräsentiert. Doch durch gezielte Projekte und Veränderungen soll sich das ändern. (Bild: gumpapa - stock.adobe.com)

Erinnern Sie sich noch, wie viele Frauen mit Ihnen Maschinenbau studiert haben? Bei Chinloo Lama waren es je nach Klasse nur sie selbst oder eine zweite Frau. Sie hat am Rensselaer Polytechnic Institute, einem der ältesten technischen Hochschulen der USA, studiert. Inzwischen ist sie bei Dassault Systèmes Design Direktorin für die 3D Experience Solidworks User Experience.

In der Abschlussklasse kamen auf eine Ingenieurin sechs oder sieben Ingenieure, berichtet sie weiter.

Blickt man nach Deutschland schaut es nicht viel besser aus. Obwohl Initiativen zur Förderung von Frauen in Mint-Fächern erste Erfolge an Hochschulen zeigen, finden Absolventinnen unterdurchschnittlich häufig ihren Weg in den Maschinen- und Anlagenbau.

Das geht aus einer aktuellen Studie der Impuls-Stiftung des VDMA hervor. Demnach liegt der Anteil der Maschinenbauerinnen bei gut elf Prozent, obwohl die Frauenquote bei den Abschlüssen ingenieurwissenschaftlicher Kernfächer bei rund 21 Prozent liegt.

Wenig Frauen in den Teams

Auch Chinloo Lama hat diese Erfahrung gemacht. Als Berufseinsteigerin habe es genauso wenig Frauen in ihrem Team gegeben als in der Uni, sagt sie. Geändert hat sich das erst bei ihrem Master im Computer Graphic Design. Hier sei der Anteil an Frauen und Männern gleich gewesen. In ihrer jetzigen Stelle bei Dassault Systèmes arbeiten sogar mehr Frauen als Männer.

Aber: „Als User Experience Designer arbeiten wir viel mit Ingenieuren zusammen. Und egal mit welchem Unternehmen, mit welcher Branche ich gesprochen haben, es gab maximal ein oder zwei weibliche Mitglieder im Team“, so Lama.

Christina Reuter hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie ist inzwischen Professorin an der TU München und war davor bei Airbus Defense and Space sowie als Aufsichtsratsmitglied bei Kion tätig. „Mittlerweile fällt es mir nicht mehr auf, dass ich häufig in Sitzungen sitze, wo hauptsächlich Männer um mich herumsitzen. Das ist fast normal. Leider, muss man sagen. Es ist sogar eher so, dass es mir auffällt, wenn da viele Frauen sitzen“, sagte Sie 2021 in unserem Podcast Industry Insights.

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(Bild: mi-connect)

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Tipps: So wird der Maschinenbau für Ingenieurinnen attraktiver

Wie können also mehr Frauen für den Maschinenbau gewonnen und auch gehalten werden? Es gibt nicht die eine Lösung, laut der Impuls-Studie sind vielmehr viele kleine Stellschrauben entscheidend.

Dazu zählen unter anderem:

  • Das Berufsbild der Ingenieurin greifbar machen: Vielen Schülerinnen ist der Studie zufolge oft nicht klar, was eine Ingenieurin eigentlich macht. Formate wie Girls' Day oder Kurzpraktika sind wichtig, müssen aber gut ausgestaltet sein, um authentische Einblicke zu bieten.
  • Sichtbare weibliche Vorbilder – sowohl vor und während des Studiums als auch im Berufsleben. Wie Vorständin Melissa Albeck für mehr Diversität in der Branche und bei Ceratizit sorgen will, erfahren Sie im Podcast Industry Insights:

Ceratizit-Vorständin Melissa Albeck über Female Leadership

  • Praktika anbieten: Die für die Studie befragten Personen sagten, dass sie durch Praktika und Exkursionen ihre Motivation steigern und Ausblicke auf mögliche Karrierewege erhalten konnten, die vielleicht vorher noch nicht in Betracht gezogen wurden. Vor allem positive Erfahrungen bei Praktika und anderen Unternehmenskontakten führten dazu, dass sie eine langfristige Bindung zum Unternehmen aufbauen konnten.
  • Auch der Online-Auftritt kann darüber entscheiden, ob sich eine angehende Ingenieurin bei einem Unternehmen bewirbt oder nicht. Der Studie zufolge ist es deshalb wichtig, dass auf der Firmenwebsite nicht nur Produkte zu sehen sind, sondern auch die Mitarbeitenden. „Insbesondere für Bewerberinnen sinkt die Hemmschwelle, sich zu bewerben, wenn bereits auf der Webseite andere Frauen dargestellt sind“, heißt es in der Studie. Vermieden werden sollten dabei gestellte Bilder und Stockfotos.
  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein entscheidender Faktor, ob Ingenieurinnen dem Unternehmen treu bleiben oder nicht. Dazu zählen unter anderem Kinderbetreuungsangebote.
  • New Work: „Die Flexibilität von Arbeitszeit und -ort stellt sich zunehmend als entscheidenden Faktor für die Unternehmenswahl dar“, heißt es in der Studie. „Besonders wenn die Arbeit dies zulässt, herrscht wenig Verständnis für Präsenzkultur oder unflexible Arbeitszeitgestaltung.“ Wie New Work im Maschinenbau gelingen kann, zeigt. Deguma. Mehr dazu hören Sie im Podcast.
  • Ebenfalls wichtig: Eine aktive Förderung von Frauen in Fach- und Führungskarrieren.

VDMA und Unternehmen engagieren sich

Es zeigt sich also: Die Förderung von Frauen in technischen Berufen ist ein komplexer und langfristiger Prozess, der eine aktive Gestaltung und ein Umdenken in den Unternehmen erfordert.

Um Ingenieurinnen bei der beruflichen Entwicklung zu unterstützen, hat der VDMA im Mai das Förderprojekt „MaSHEnenbau – Ingenieurinnen gewinnen, halten und Karrieren entwickeln“ ins Leben gerufen. Damit soll der Anteil von Ingenieurinnen im Maschinenbau nachhaltig steigern. Teilnehmende Pilotunternehmen werden unter anderem dabei unterstützt, ihre Arbeits- und Karrierebedingungen attraktiver zu gestalten.

Auch die Unternehmen selbst engagieren sich.  Ceratizit hat zum Beispiel mehrere Maßnahmen ergriffen. So möchte das Unternehmen unter anderem sicherstellen, dass Frauen bei Kursen, Trainings und Leadership-Programmen "ganz gezielt mit eingeladen" und "gesehen werden“, sagt Vorständig Ahlbeck im Podcast.

Dassault Systèmes engagiert sich ebenfalls. Unter anderem in Verbindung mit Organisationen wie MassRobotics. Dabei werden Frauen ermutigt, Roboter zu entwerfen und sich mit Mint-Aktivitäten zu beschäftigen.

Und: Chinloo Lama sieht definitiv, dass es bereits eine Veränderung zu ihrer Studienzeit gibt. Es gebe auch mehr Engagement bei dem Thema.

Redakteurin Anja Ringel (rechts) mit Chinloo Lama, Design Direktorin für die 3D Experience Solidworks User Experience bei Dassault Systèmes.
Redakteurin Anja Ringel (rechts) mit Chinloo Lama, Design Direktorin für die 3D Experience Solidworks User Experience bei Dassault Systèmes. (Bild: Ringel)

Frau Lama, was raten Sie jungen Frauen, die sich für den Ingenieursberuf interessieren?

Lama: Einer der größten Ratschläge, die ich geben kann, ist, dass es nicht nur darum geht, was Sie tun, wofür Sie bezahlt werden, um etwas zu tun, sondern auch um das Umfeld, in dem Sie arbeiten werden. Besonders für Frauen. Denn in jeder Gesellschaft, in jedem Land, werden Frauen oft unterschätzt. Und Frauen wird oft gesagt, dass sie doppelt so hart arbeiten müssen, um an den gleichen Punkt zu gelangen. Oder ihnen wird gesagt, dass sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten müssen, besonders wenn sie Familie haben. „Es gibt also viele ‚müssen, müssen, müssen‘ und sie vergessen, wer Sie selbst sind, wenn Sie all diese Dinge tun.

 

Also, wirklich nur zu sagen: Es ist okay. Seien Sie nicht so hart zu sich selbst und stellen Sie sicher, dass Sie das anstreben, was Sinn macht, was zu Ihnen passt. Lassen Sie sich nicht entmutigen, weiterzumachen.

 

Und auch, wenn Sie zu einem Vorstellungsgespräch gehen, ist dieses Gespräch nicht nur für das Unternehmen, um zu sehen, ob sie Sie einstellen wollen. Es ist auch eine Gelegenheit für Sie, das Unternehmen zu interviewen, um zu sehen, ob Sie dort arbeiten wollen. Fragen Sie nach. Fragen Sie nach dem Umfeld, das das Unternehmen bietet, der Kultur. Und wenn es nicht die Antwort ist, die Sie hören möchten, ist es wahrscheinlich nicht der Ort, an dem Sie arbeiten möchten.

 

Ich würde Leuten, die in die Industrie gehen, empfehlen, wirklich sorgfältig zu wählen. Nicht nur, wie viel sie Ihnen zahlen, sondern auch, ob es ein sicherer Arbeitsplatz ist.

 

Ein weiterer Rat ist, dranzubleiben. Denn wir brauchen die Vielfalt in der Branche. Stellen Sie zum Beispiel auch sicher, dass Sie an kritischen Gesprächen teilnehmen, die letztendlich ein Design oder ein Produkt beeinflussen, das Sie konsumieren werden, oder sogar etwas, das Sie irgendwann beeinflussen wird.

Anja Ringel
(Bild: Anna McMaster)

Die Autorin: Anja Ringel

Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.

Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.

Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.

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