Steigender Energiebedarf, Arbeitskräftemangel, wachsender Effizienzdruck: Damit die Industrie aktuelle Herausforderungen nicht nur bewältigt, sondern daraus auch Wettbewerbsvorteile entwickelt, reicht klassische Automatisierung nicht mehr aus. Die nächste Stufe ist industrielle Autonomie – und im Zentrum steht dabei die Künstliche Intelligenz.
Vor diesem Hintergrund gibt es fünf wichtige Erkenntnisse, die Industrieunternehmen in Deutschland und ganz Europa berücksichtigen sollten, wenn sie ihren Weg zur Autonomie planen und neue Wachstumschancen nutzen möchten.
1. Der Wandel zur industriellen Autonomie hat bereits begonnen
Automatisierung und Autonomie – zwei Begriffe, die oft verwechselt werden, aber grundlegend verschieden sind: Automatisierung basiert auf vordefinierten Regeln. Autonome Systeme hingegen erkennen, analysieren und agieren selbständig. Sie reagieren flexibel auf neue Bedingungen, Umweltveränderungen oder unvorhergesehene Herausforderungen.
Künstliche Intelligenz – kombiniert mit moderner 5G-Konnektivität und Cloud-Computing – treibt diesen Wandel maßgeblich voran. Insbesondere Länder mit datenintensiven Industrieanlagen, wie Deutschland, sind hervorragend positioniert, um von dieser Entwicklung nachhaltig zu profitieren.
Zukunftstechnologien verstehen!
Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!
Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".
2. Diese "Technologie-Trilogie" ist Treiber der Transformation
Neben den beeindruckenden Fortschritten im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind die Implementierung und der Ausbau von 5G-Netzen und Cloud-Infrastrukturen von zentraler Bedeutung. Deutschland verfügt aktuell über die höchste Anzahl aktiver privater 5G-Netzwerke in Europa – insbesondere in Fabriken und Produktionsstätten, die diese Technologie intensiv nutzen.
In typischen Industrieanlagen – etwa Produktionshallen, Kraftwerken oder Flughäfen – entstehen täglich enorme Datenmengen innerhalb geschlossener OT-Systeme (Operational Technology). Dank moderner Konnektivität können diese Daten sicher in die Cloud übertragen und dort analysiert werden.
Genau hier setzen Systeme wie die Honeywell Forge Plattform an: Sie nutzt die Leistungsfähigkeit führender globaler Cloud-Computing-Anbieter, um aggregierte Daten aus der weltweiten Installationsbasis in Echtzeit zu analysieren – und liefert so den Kunden dadurch Erkenntnisse, die bislang nicht verfügbar waren.
Über den Autor
Suresh Venkatarayalu ist SVP CTO und President of Connected Enterprise bei Honeywell. Dort ist er die treibende Kraft hinter den Technologien, Produkten und der Software "Connected Enterprise" des Unternehmens. Als Führungskraft verbindet er Technologie und Wirtschaft, um die Grundlage für Unternehmenswachstum zu schaffen.
3. Vorausschauende Wartung ist ein weiterer Erfolgsfaktor
In allen Industriezweigen, insbesondere aber im Energiesektor, bietet KI eine neue Lösung für ein seit langem bestehendes Wachstumshemmnis: ungeplante Ausfallzeiten.
Laut einer aktuellen Honeywell-Umfrage setzen 85 Prozent der Energieverantwortlichen bereits KI ein oder testen sie in Pilotprojekten. KI löst eine der größten Herausforderungen: ungeplante Ausfallzeiten. Durchschnittlich entstehen in der Fertigung jährlich rund 800 Stunden Stillstand – bei Fortune-500-Unternehmen summiert sich dies auf 1,5 Billionen US-Dollar pro Jahr.
Um diesem Problem zu begegnen, setzen auf Künstliche Intelligenz, um große Mengen an Betriebsdaten schnell zu analysieren und die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls bereits im Vorfeld zu erkennen. Basierend auf diesen Informationen sind Systeme in Anlagen mit echter industrieller Autonomie in der Lage, unmittelbar die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko eines Ausfalls zu minimieren.
Darüber hinaus kann KI auch Wartungstechniker gezielt bei der Störungsbehebung unterstützen – indem sie auf jahrelang gesammelte Servicedaten zurückgreift, die Fehlerdiagnose beschleunigt und präzise Anleitungen zur Problemlösung liefert.
4. Digitale Unterstützung für die Belegschaft hilft bei Fachkräftemangel
Laut dem ifo-Institut melden 18 Prozent der Industrieunternehmen nach wie vor einen Fachkräftemangel – im Maschinenbau sind es sogar bis zu 23 Prozent. KI-gestützte Assistenzsysteme schließen diese Lücke, indem sie das Erfahrungswissen erfahrener Mitarbeiter modellieren und direkt am Arbeitsplatz über Tablets oder andere vernetzte Geräte verfügbar machen.
Für Nachwuchskräfte ist dies ein transformativer Mehrwert in einer Zeit, in der sich eine generationsprägende Herausforderung für die Arbeitswelt abzeichnet. Allein in den USA ist jeder vierte Mitarbeitende in der Fertigungsindustrie über 55 Jahre alt, und Schätzungen zufolge werden bis 2033 3,8 Millionen neue Arbeitskräfte in diesem Sektor benötigt.
Durch den Einsatz von KI-gestützten Technologien, die Daten aus jahrelanger oder sogar jahrzehntelanger Berufserfahrung integrieren, können Industrieunternehmen ihre Mitarbeitenden gezielt weiterbilden und umschulen. So werden selbst weniger erfahrene Fachkräfte in die Lage versetzt, auf dem Niveau erfahrener Veteranen zu arbeiten.
5. Intelligente Steuerung bringt mehr Energieeffizienz
Künstliche Intelligenz und Energie sind mittlerweile eng miteinander verbunden, da KI die Art und Weise verändert, wie wir Energie produzieren, transportieren, speichern, liefern und verbrauchen. Tatsächlich zeigt eine kürzlich durchgeführte Umfrage von Honeywell unter führenden Vertretern und Vertreterinnen der Energiebranche, dass bereits 85 Prozent Künstliche Intelligenz entweder testen oder aktiv einsetzen.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Welt mehr Energie denn je benötigt und dass die Nachfrage weiter steigen wird. Gleichzeitig ist es für Europa von entscheidender Bedeutung, einen autarken Energiemix zu erreichen. Um den Bedarf mit lokalen Ressourcen zu decken, braucht es keine Einzellösung, sondern ein Zusammenspiel aus LNG, Wasserstoff, Kernenergie und erneuerbare Energien – ergänzt durch einen geringeren Anteil an Öl und Kohle.
Damit die Energie aus all diesen Quellen effizient gespeichert und gesteuert werden kann, sind automatisierte Steuerungstechnologien erforderlich, die intelligent erkennen, wie viel Strom das Netz zu welchem Zeitpunkt benötigt.
Daher ist die kontinuierliche Rolle der KI entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Verbrauch nie wichtiger gewesen. Sie kann dazu beitragen, Rechenzentren weniger energieintensiv zu machen, die Effizienz industrieller Prozesse zu optimieren und den Abfall in Gebäuden zu minimieren – von einzelnen Steckdosen bis hin zu ganzen Campusgeländen.
Lassen Sie sich von KI-Anwendungsbeispielen inspirieren!
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Alle Artikel zu künstlicher Intelligenz und Implementierungsmöglichkeiten in der Industrie finden Sie in unserem zugehörigen Fokusthema.
Von der Vision zur Wirklichkeit: So geht Autonomie in der Industrie
Ein Blick in die Zukunft der europäischen Industrie zeigt: Wir stehen an einem Wendepunkt – auf dem Weg von der Automatisierung hin zur industriellen Autonomie. Für deutsche Industrieunternehmen, die ihre Produktion zukunftssicher gestalten und im globalen Wettbewerb vorne bleiben wollen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, eine digitale Transformation einzuleiten. Dabei gilt es, die Betriebstechnologie durch robuste Cybersicherheitslösungen zu vernetzen, um die generierten Daten effektiv zu nutzen.
Ein iterativer Ansatz zur Autonomie ermöglicht es Unternehmen, zunächst Bereiche mit eindeutigem Return on Investment zu identifizieren – etwa Energieeinsparungen oder vorausschauende Wartung – und anschließend die Potenziale zur Unterstützung der Belegschaft zu erschließen, die diese neue Ära der Rechenleistung bietet. Diese ersten Schritte helfen dabei, dem wachsenden Fachkräftemangel in der Industrie entgegenzuwirken – einem Risiko, das die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum erheblich beeinträchtigen könnte.
Während Industrieunternehmen auf dem Weg zur Autonomie weiter voranschreiten, wird die Integration dieser Schlüsselkompetenzen dazu beitragen, drei der größten Herausforderungen zu bewältigen, mit denen sie täglich konfrontiert sind: Steigerung des Durchsatzes, Maximierung der Anlagenverfügbarkeit und Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden. Angesichts des sich beschleunigenden Innovationstempos müssen Industrieunternehmen jetzt handeln, um die Chancen der Transformation zu nutzen, bevor sie den Anschluss verlieren.
Überarbeitet von Julia Dusold