Erstmals seit Ende März hat die Bundesnetzagentur in ihrem täglichen Bericht zur Gasversorgung die Lage als "angespannt" bezeichnet. Zugleich hieß es: "Die Gasversorgung in Deutschland ist im Moment aber stabil", schrieb die Behörde in ihrem am Freitagmittag veröffentlichten Bericht. Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei derzeit gewährleistet.
Grund für die Neubewertung ist eine geringere Gasliefermenge durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen. Dabei hatte der russische Staatskonzern Gazprom den Fluss auf 40 Prozent der Maximalleistung gedrosselt und dies mit Verzögerungen bei der Reparatur von Verdichterturbinen begründet. "Von dieser Reduktion ist seit Mitte der Woche auch die Weitergabe von Gas in andere europäische Länder wie zum Beispiel Frankreich, Österreich und Tschechien betroffen", so die Bundesnetzagentur.
Deutschlands größter Importeur von russischem Erdgas, Uniper, berichtete, dass am Freitag rund 60 Prozent weniger Gas als angemeldet angekommen sei. "Seit Anfang der Woche ist immer weniger gekommen als das, was wir angemeldet haben", sagte ein Sprecher. Im Moment ersetze man die fehlende Menge durch andere Quellen. Man stehe in engem Austausch mit der deutschen Regierung.
Die Netzagentur betonte, dass im Moment weiter Gas eingespeichert werden könne. Gegenüber Donnerstag sei die Einspeicherung leicht gestiegen. Der Füllstand aller deutschen Speicher kletterte nach jüngsten Zahlen auf über 56 Prozent. Ziel sind 90 Prozent am 1. November.
"Wenn die Speichermengen nicht zunehmen, dann werden wir weitere Maßnahmen zur Einsparung, zur Not auch gesetzlich, vornehmen müssen", hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstagabend in den ARD-,Tagesthemen´ gesagt. Auf die Frage, ob das auch die Herabsetzung der vorgeschrieben Mindesttemperatur in Wohnungen sein könne, antwortete der Minister, "damit haben wir uns noch nicht intensiv auseinandergesetzt. Wir werden uns alle Gesetze, die dort einen Beitrag leisten, anschauen".
"Wir können nicht mit 56 Prozent in den Winter gehen. Da müssen die Speicher voll sein. Sonst sind wir wirklich offen", sagte der Minister. Die Lage sei ernst, die Versorgungssicherheit aktuell aber gewährleistet. Zugleich appellierte Habeck erneut an Unternehmen und Bürger, Energie und Gas zu sparen.
Der russische Energieriese Gazprom hatte wie angekündigt in der Nacht zum Donnerstag seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream weiter reduziert. Habeck sprach von einem Muster, das über die vergangenen Wochen erkennbar sei. So agierten Diktatoren und Despoten, sagte der Wirtschaftsminister. Dies sei eine Kraftprobe zwischen westlichen Alliierten und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
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