In seinem Buch ‚Fabrikplanung: Begriffe und Zusammenhänge‘ von 1995 schreibt Hans Schmigalla: „Fabrikplanung ist die vorausbestimmende Gestaltung von Fabriken. [...] und umfasst die Analyse, Zielfestlegung, Funktionsbestimmung, Dimensionierung, Strukturierung, Integration und Gestaltung von Fabriken als System wie auch ihrer Teilsysteme, Elemente, Substrukturen und Prozesse.“ Das hat bis heute Bestand, wenn auch mit der Digitalisierung in der Fabrikplanung eine wesentliche Komponente hinzugekommen ist - gerade für die Abbildung der heutigen, großen Komplexität der Gebäude in einem digitalen Zwilling.
Auch haben Building Integrated Modelling (BIM) und 3D-Planung- und Simulationstools längst Einzug in die Fabrikplanung gehalten, dazu Michael von Darsen, Head of Facility Management bei der Sartorius Corporate Administration GmbH: „Ohne Building Integrated Modelling und 3D-Planungstools ist eine moderne Fabrikplanung unseres Erachtens nicht mehr vorstellbar. Der digitale Zwilling ist das Ziel. Bei KI sehen wir erst den Anfang der Entwicklung.“
Christian Rathmann, Architekt bei der Bünemann & Collegen GmbH ergänzt zu den Themen Digitalisierung und KI: „Nicht nur in Planung und Bau lassen sich so Effizienzpotentiale heben, sondern - im Facilitymanagement besonders wichtig - über den gesamten Lebenszyklus hinweg.“
Fachkongress Fabrikplanung
Auf dem 20. Fachkongress Fabrikplanung treffen sich unter anderem Fabrikplaner:innen, Werksleiter:innen und Ingnieur:innen, um über die Herausforderungen der Branche zu diskutieren.
- 13. und 14. November 2024 in Ludwigsburg
- Vorträge und Workshops für die Teilnehmenden
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Fabrikplanung: Das sind die Grundvoraussetzungen
Was nun eine strategieoffene und nachhaltige Fabrikplanung - unabhängig von den Instrumenten - ausmacht, sind sich die Experten einig, dass das ‚Wie‘ in der Methodik liegt. Statt iterativ einzelne Disziplinen nebeneinander planen zu lassen, vernetzen Planer von heute die Fachrichtungen von Beginn an. Im Ergebnis ist dieses Vorgehen schneller, zielgenauer und wirtschaftlicher.
Für Dirk Kissel, Senior Project Manager bei der Claas Saulgau GmbH, stehen Flexibilität und Modularität sowie eine offene anpassungsfähige Infrastruktur und Architektur im Vordergrund. „Dazu kommen Aspekte der Energieeffizienz, wie etwa die Nutzung von Energiemanagementsystemen und erneuerbaren Energiequellen, um den Energieverbrauch der Fabrik zu optimieren sowie die konsequente Anwendung der Lebenszyklusanalyse (LCA).“
„Fabriken werden heute im Sinne einer hohen Wiederverwendung und Nachhaltigkeit mit einem Nutzungshorizont von mindestens 50 Jahren geplant“, sagt Dr. Martin Schönheit, geschäftsführender Gesellschafter bei Dr. Schönheit + Partner Consulting Engineering. Die Flexibilität und Wandlungsfähigkeit in der Planung neuer Fabriken sind daher absolute Grundvoraussetzungen, um in diesem langen Zeithorizont schnell und effizient mit Anpassungen des Produktionsprogramms reagieren zu können.
„Genau dafür haben wir das Modell der ‚Plant-on-Demand‘, der nachfrageregelten Fabrik, entwickelt. Die Grundprinzipien sind flexible Anpassungsmöglichkeiten für Bauwerk und Prozesse, um den Nutzungshorizont der Fabrik zu maximieren“, so Schönheit weiter.
Die Ausweitung dann zu einer grünen Fabrik, erfolgt mit dem Anspruch, in Gebäude, Technik und Prozess klimapositiv zu werden, dazu nochmals Dr. Martin Schönheit: "Im Bau achten wir deshalb auf wiederverwendbare und kreislauffähige Materialien wie Holz, demontierbare Baustoffe sowie Dach- und Fassadenbegrünung. Für die Prozesse sind autarke, meist regenerative Energieerzeugung und Wassergewinnung sowie nachhaltige Automatisierungstechnik als Prinzip gesetzt.“
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Das Ergebnis: Eine wandlungsfähige Fabrik
Wie aber reagieren Unternehmen und Fabrikplaner schnell und effizient im langen Lebenszyklus einer Fabrik auf veränderte Bedingungen und Anforderungen wie Umbau, Umnutzung, Ausbau, Rückbau, Erweiterung, schwankende Stückzahlen in der Produktion, Fachkräftemangel, Materialmangel, Energie, Ausbildung, Instandhaltung?
Eine Antwort darauf hat Michael von Darsen: „Das sind eine Menge Herausforderungen. Am besten begegnet man diesen mit einer robusten Planung, die modular aufgebaut ist, Standards vor Einzellösungen setzt, Reserven berücksichtigt und vorausschauend denkt, statt lediglich aktuelle Bedarfe zu decken.“ Für Architekt Rathmann ist „das Ergebnis die wandlungsfähige Fabrik, um sich im laufenden Betrieb mit geringem Aufwand an sich ändernde Rahmenbedingungen anzupassen.“
Dr. Martin Schönheit sieht dies ganz ähnlich. „Aus unserer Sicht müssen Industrieunternehmen in der Lage sein, im Laufe des langen Lebenszyklus der Fabrik flexibel auf Veränderungen zu reagieren.“ Gerade in stark volatilen Zeiten, in denen Planungen über einen längeren Zeitraum schwierig sind, ist Flexibilität sicherlich ein ganz zentrales Differenzierungsmerkmal. „Nur so kann aus unserer Sicht langfristig erfolgreich am Produktionsstandort Deutschland produziert werden.“
Diese Anforderungen übertragen sich direkt auch auf Planungsleistungen, denn Fabriken und Prozesse müssen flexibel anpassbar sein. Unternehmen müssen also in kürzester Zeit, idealerweise innerhalb einer Schicht, eine komplette Produktionslinie oder Arbeitsplätze auf neue Programme umstellen können.
„Alle Einrichtungen müssen dafür mobil sein und einem Lean-Standard folgen.“ Die Effizienz dieser Planungsidee liege darin, dass in einem Modulraster alle Medien, Energien, Lichtbedingungen, Fundamente für Maschinen und logistische Voraussetzungen ohne Umbau vorgehalten würden. „Die Fabrik wird somit für zukünftige Bedarfsveränderungen vorausgedacht“, so Schönheit.
Die nächste Transformation hat schon begonnen
Für die Fabrikplanung stehen nicht erst heute - wie oben bereits angedeutet - IT-gestützte Methoden und Ansätze zur Verfügung. Der Einsatz von Instrumenten für virtuelle Realität (VR) und von BIM ist in der Fabrikplanung seit langem Realität. Dazu Dr. Martin Schönheit: „Heute befinden wir uns am Anfang einer nächsten Transformation unserer Planungsarbeit mit dem Einsatz KI-gestützter Werkzeuge zur Erzeugung von digitalen Fabrikmodellen. Für uns ist das die Entwicklungsstufe Fabrikplanung 4.0.“
Dazu stellt sich auch immer wieder die Frage nach Greenfield oder Brownfield, dazu Michael von Darsen: „Das ist immer das Große entweder oder. Hier sehen wir aber eher ein sowohl als auch. Wir werden in Zukunft vermehrt Brownfieldprojekte realisieren, wenn wir die Ziele zur CO2-Reduktion einhalten wollen. Unabhängig vom Planungsfall, die Methodik ist die gleiche: die VDI 5.200. Diese beinhaltet alle Aspekte von der Zielfestlegung bis zur Inbetriebnahme. Daneben führt die intensive Einbindung der Mitarbeitenden in zu maßgeschneiderten Lösungen für den Kunden. So werden ‚Betroffene‘ zu ‚Beteiligten‘, was für den Change Prozess sehr wichtig ist.“
So läuft Fabrikplanung im internationalen Kontext
Auch die Sartorius Corporate Administration GmbH hat eine Erfolgsmethode, dazu Michael von Darsen: „Sartorius hat mit der Masterplanung und den daraus erfolgten Baumaßnahmen zuerst in Göttingen und mittlerweile weltweit bauliche Standards entwickelt, die die Sartorius-DNA verkörpern und flexibel auf lokale Erfordernisse reagieren können. Wir haben ein global tätiges Team, dass zahlreiche Projekte im Ausland - so etwa in den USA, China, Frankreich, Tunesien und Finnland – realisiert hat, um mit der Unterstützung unserer externen Fabrikplaner den lokalen Planungsteams bauliche und prozessuale Standards vor Ort zu vermitteln.“
Bei Fabrikplanung im internationalen Kontext geht es meist also meist darum, global gültige Ansätze der Fabrikplanung auf die lokalen Bedingungen im jeweiligen Land anzupassen. Dr. Martin Schönheit verweist dabei auf Beispiele und Ansätze international erfolgreicher Fabrikplanungsprojekte, wie zum Beispiel in Singapur im Bereich der Medizintechnik (Urban Production und Geschossigkeit mit 3 Etagen): „Anhand einer dynamischen Simulation konnten wir ermitteln, bei welchem Wachstumsszenario bestehende Aufzugkapazitäten zum Transport von Materialien über verschiedene Etagen zum Engpass werden. Gleichzeitig haben wir Layouts und Materialflüsse so optimiert, dass der Engpass entlastet werden konnte und höchste Nutzungsflexibilität für Volumen- und sichergestellt wurde.“
Bei einem Hubschrauberbau-Projekt in Brasilien wurden Fassade und Dach geöffnet ausgebildet. „Damit konnte mit adiabatischer Luftströmung die rund 15.000 Quadratmeter große Montagehalle um bis zu sechs Grad Celsius heruntergekühlt werden, ohne Einsatz von Klimatechnik“, so Martin Schönheit, „Nachhaltigkeit exzellent.“
Fabrikplanung: Das sind die Schlüsselfaktoren
Für viele Unternehmen sind Themen wie Nachhaltigkeit und Energiedatenmanagement also Schlüsselfaktoren bei ihren Projekten, dazu Architekt Rathmann: „Denn sie erst ermöglichen es, sich mit den weiteren Fragen zu beschäftigen. Unser jüngstes Projekt bei Sartorius erfüllt beispielhaft die höchsten Anforderungen an Nachhaltiges Bauen.“
Dieses Unterfangen wurde von der ‚Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen‘ (DGNB) mit dem Platin-Siegel ausgezeichnet, Michael von Darsen erläutert: „Nachhaltigkeit spielt bei uns eine zentrale Rolle. Wir setzen auf ein umfassendes Energiemanagement, um unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Durch Energiemonitoring erfassen wir relevante Daten, um Verbrauch und Emissionen zu optimieren. Unsere ESG-Strategie integriert Nachhaltigkeitsziele in unsere Prozesse und fördert verantwortungsvolles Handeln.“
So trägt das Unternehmen aktiv zur Erreichung globaler Klimaziele bei und stärkt gleichzeitig das eigene Engagement für soziale Verantwortung.
Bestandsfabriken: Wachsender Bedarf für bauliche Veränderungen
Auch oder gerade wegen des Themas ‚Nachhaltigkeit‘ stellt sich Fabrikplanern Am Anfang immer die Frage: Greenfield oder Brownfield? Für Christian Rathmann ist beim Greenfield die Herausforderung das Change Management, weil im Prozess nicht auf bestehende, stärkende Strukturen zurückgegriffen werden kann: „Beim Nutzer wird der größere Anpassungsprozess erforderlich und Angst erschwert oft Innovationen. Beim Brownfield ist es sicher die Gefahr, Bestehendes nicht ausreichend in Frage zu stellen und so Kompromisse einzugehen, die ein optimiertes Ergebnis unnötig behindern.“
Bei Beiden gilt aber: Fabrikplanungsprojekte bieten die seltene Gelegenheit über Jahre aufgebaute strukturelle Probleme zu beheben. Dies erfordert sowohl planerische als auch unternehmerische Weitsicht.
Aktuelles aus der Industrie
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Im Hause Dr. Schönheit + Partner Consulting Engineering nimmt man bei den Kunden aktuell einen deutlich wachsenden Bedarf für bauliche Veränderungen in Bestandsfabriken mit Umbau, Umnutzung, Ausbau, Rückbau und Erweiterung wahr: „Die Masterpläne für eine Plant-on-Demand haben mittlerweile zu einem Anteil von 70 Prozent mit Bestandsarealen zu tun, also historisch gewachsene Industrieanlagen“, sagt Dr. Martin Schönheit.
Greenfield-Planungen seien aufgrund gestiegener Baukosten, Nachhaltigkeitsansprüchen und einem oftmals begrenzten Platzangebot für viele Firmen nicht mehr so attraktiv oder umsetzbar, auch wenn es in deutschen Städteregionen aus unserer Sicht noch genug verfügbare Standortflächen gäbe. „Und genau diese müssen wir nur besser nutzen und den veränderten Anforderungen an Urbanität gerecht werden. Wenn die Stadtpolitik, die Bauämter und die Bevölkerung dies erkennen, dann müssen wir keine zusätzlichen Flächen für wertschöpfende Industrie verdichten“
Gleichzeitig geht mit Umbauten im Bestand oder Brownfield-Projekten eine deutlich erhöhte Komplexität der Planung einher, auf die Dr. Schönheit + Partner Consulting Engineering mit dem eigenen Planungsansatz gut vorbereitet sind, dazu Martin Schönheit: „So haben wir beispielsweise bei einem führenden Hersteller von Kaffeeröstanlagen im laufenden Betrieb die komplette Produktionshalle saniert und für den Mehrbedarf an Produktionskapazität in Höhe von 30 Prozent einen Anbau geplant.
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Industriestandorte: Mensch steht weiter im Mittelpunkt
Doch auch die Methoden der Fabrikplanung gehen in einen neue Zukunft: Aktuelle Trends umfassen die Integration von Industrie 4.0-Technologien wie IoT und KI, den Einsatz von Digital Twins sowie einen starken Fokus auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Zudem gewinnen flexible Fertigungssysteme, Automatisierung und Mitarbeiterzentrierte Gestaltung zunehmend an Bedeutung, um die langfristige Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu steigern. Im Bereich der Nachhaltigkeit setzen immer mehr Bauherren auf autarke Energieerzeugungssysteme, die weitestgehend auf fossile Energieträger verzichten, und schaffen die Infrastruktur für emissionsarme Transportmittel wie E-Busse, E-Räder und E-Roller.
„Zusätzlich wird die Realisierung einer Gold-Quartierszertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen bei immer mehr Projekten angestrebt“, so Martin Schönheit.
Doch neben allen baulichen und operativen Gestaltungsanforderungen stehen bei der Planung moderner Industriestandorte immer noch die Menschen im Mittelpunkt. „Für eine zukunftsfähige Planung werden Begegnungsflächen als Raum für Austausch und Erholung geschaffen. Gleichzeitig beinhalten die Standorte Elektroladestationen sowie Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Die Integration von Arbeit und Familie wird durch Angebote wie Kinderbetreuung erleichtert. Eine Kantine und weitere Servicedienste wie Reinigung und Cafés runden ein solches Angebot ab“, so Schönheit weiter.
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2025 geht es weiter! Die Branche trifft sich am 16. und 17. September 2025 in Berlin.