Chef spricht mit Mitarbeiter. Beide sitzen sich gegenüber

Chefs sollten darauf achten, wie sie Sprache einsetzen. (Bild: bnenin - stock.adobe.com)

Frau Seidel, Sie beschäftigen sich viel mit dem Thema Sprache. Warum ist Sprache für Führungskräfte besonders wichtig?

Katrin Seidel: Wenn Führungskräfte sprachlich nicht klar gliedern können und nicht in der Lage sind, zu filtern und einen Fokus zu setzen, sondern auf erlernte Sprachmuster zurückgreifen, dann kommt ihre Aussage bei den Mitarbeitenden oft nicht an. Das ist mir in den vergangenen 25 Jahren sehr oft aufgefallen.

Es gibt zum Beispiel immer wieder Führungskräfte, die auf der Bühne stehen und eigentlich nichts gesagt haben, aber beim Publikum trotzdem ankamen. Dann gibt es andere, die eine Vision haben, aber diese sprachlich nicht rüberbringen können.

Sie sprechen von Sprachmustern. Was verstehen Sie genau darunter?

Seidel: Sprachmuster sind Wortgruppen und teilweise auch ganze Satzfolgen, die wir abspeichern und dann immer nutzen. Dabei geht es nicht darum, ob man empathisch oder charismatisch rüberkommt. Sondern mal lernt quasi, was man wie sagen kann und was nicht. Wenn man zum Beispiel mit Freunden und Bekannten spricht, dann merkt man oft gar nicht, dass man gewisse Sprachmuster übernimmt. Auch die Jugendsprache verbreitet sich wahnsinnig schnell. Jetzt ist alles „nice“.

Es gibt ein Sprachanalysetool, das über 500.000 Sprachwirkungsmerkmale misst. Das ist ein Computer-Interview, das die KI im Hintergrund misst. Das schöne ist, wenn eine Führungskraft das macht, dann er gibt sich ein Sprachprofil, das dann ausschließlich die Sprachwirkung zeigt. Sprachmuster lassen sich sehr leicht verändern, wenn man es übt.

Das ist Katrin Seidel

Katrin Seidel
(Bild: Seidel)

Katrin Seidel ist Unternehmerin und ausgebildeter Coach für Mitarbeitende und Führungskräfte. Sie ist seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführerin der europaweit agierenden Trainingscompany BFKM.

Wenn Führungskräfte ihre Sprachmuster erkannt haben: Wie können sie Sprache dann als Führungsinstrument einsetzen?

Seidel: Sprache ist ein Verbindungselement zwischen den Menschen. Bisher war die Management-Sprache geprägt von Schnelligkeit. Es ging um Zahlen, Daten, Fakten. „Wir müssen dem mal Druck machen.“

Das war die Sprache. Das hat nichts mit Verbindung zu tun. Und die Frage ist oft auch, ob das authentisch ist und das bekommt mein Gegenüber auch mit. Es kommt oft auf den Blickwinkel an.

Es ist zum Beispiel ein Unterschied, wenn ich frage „Wie geht es dir gerade wirklich?“. Da nehme ich mir die Zeit, der Person zuzuhören. Wenn ich dagegen frage „Und, geht’s gut“, dann diktiere ich die Antwort schon vor.

Oder wenn es darum geht, eine Lösung für ein Problem zu finden. Dann ist es natürlich möglich, dass ich als Führungskraft dem Mitarbeitenden die Lösung vorgebe, wenn er nicht selbst darauf kommt. Oder ich unterstütze, indem ich meinem Mitarbeiter durch Fragen helfe, selbst auf die Lösung zu kommen.

Sie trainieren seit 1993 Führungskräfte. Welche Probleme und Herausforderungen haben Sie beim Thema Sprache noch festgestellt?

Seidel: Das größte Problem ist das klare Sprechen – sowohl in der Wertschätzung als auch bei Dingen, die einen stören. Oft ist eine gewisse Härte zu hören und der Gefühls-Aspekt fehlt. Oder die Aussage ist so verpackt, dass die Kernbotschaft gar nicht herauskommt.

Ein Beispiel: Wenn ein Mitarbeiter öfter zu spät kommt, dann kann man natürlich fragen: „Warum kommen Sie immer zu spät?“

Besser ist es aber zu sagen: „Ich habe beobachtet, dass Sie gestern und vorgestern zu spät im Büro waren und das hat mich verwundert, weil Sie sonst immer pünktlich sind. Es ist mir wichtig zu wissen, was los ist. Deshalb die Frage, warum Sie zu spät waren?“ In diesem Fall bin ich konkret – ich gebe Zeitangaben – und mache erst einmal keinen direkten oder indirekten Vorwurf. Dann erkläre ich, was ich dabei fühle – es hat mich verwundert – und erkläre mein Bedürfnis – ich möchte wissen, was los ist. So öffne ich als Führungskraft einen Raum, in dem der Mitarbeiter nicht sofort im Widerstandsmodus ist, sondern sich sicher fühlen und antworten kann.

Ich habe oft beobachtet, dass Führungskräfte, die aus dem Team kommen und befördert wurden, erst offen und sehr emphatisch sind. Es funktioniert alles bis zu dem Punkt, an dem eine Frage gestellt wird, die die Führungskraft an die Grenzen bringt oder ihr Verhalten kritisiert. Ich rate aber dazu, dass sich Führungskräfte nicht vom Team abgrenzen sollten, gerade wenn sie aus diesem Team kommen.

Stattdessen sind klare Ansprachen wichtig, um zu kommunizieren, wo etwas gut läuft und wo eher nicht.

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Diese klare Sprache und das klare Ansprechen sind besonders im Homeoffice wichtig, oder?

Seidel: Absolut. Gerade was die Kommunikation betrifft. Da ist Homeoffice Hölle und Komfortzone gleichermaßen für Führungskräfte. Komfortzone, weil sie ihr Team nur online auf Distanz sehen und man so dem Ganzen ein bisschen aus dem Weg gehen kann. Durch die Distanz bemerken wir oft erst viel zu spät, wenn etwas in Schieflage geraten ist und dann muss die Ansprache natürlich besonders klar sein. Das ist dann die Hölle beziehungsweise kann es sein.

Das Problem ist: Wer klare Sprache vorher nicht konnte, kann es jetzt im Homeoffice auch nicht. Das ist etwas, das man wirklich üben muss. Man muss den Mut entwickeln, Dinge anzusprechen, die einen stören. Das gleiche gilt für Arbeitsaufgaben und Wertschätzung. Und damit meine ich mehr als ein simples „Das haben Sie gut gemacht, Frau Ringel“.

Das fühlt sich beim Üben etwas konstruiert an, aber in der Praxis wird das sehr gut aufgenommen, weil sich die Mitarbeitenden so gesehen fühlen. Selbst wenn man ein Problem nicht lösen kann, geht es darum, zu zeigen, dass man da ist und den nächsten Schritt zusammen angeht.

Haben Sie Tipps für Führungskräfte, wie sie sich eine klare und verständliche Sprache aneignen können?

Seidel: Als erstes sollten Führungskräfte wachsam sein und sich selbst beobachten und sich fragen: Wo drücke ich mich vor einer klaren Aussage? Was hält mich davon ab? Dabei sollte man auch die Antwort zulassen, die ist nämlich oft, dass noch Unsicherheit im eigenen Inneren herrscht. Man kann aber natürlich nicht erwarten, dass man mit dem Status Führungskraft keinen Lernweg mehr haben darf.

Man kann auch kleinere Übungen machen. Zum Beispiel bei kurzen Gesprächen im Büro: Wie oft kläre ich Verantwortlichkeiten und kommuniziere klar, also beispielsweise „Du schreibst mir eine Mail dazu“. Dann kann man auf sein Sprechtempo achten und darauf schauen, Pausen zu machen.

Ebenfalls eine gute Übung ist, bei Kritik, Lob und Arbeitsanweisungen darauf zu achten, das in vier bis fünf Sätzen zu machen und nicht alles in einen Satz zu packen. Denn Sprache braucht auch Zeit, um zu wirken.

Wie sieht es denn mit Fachjargon aus? Sollte der vermieden werden?

Seidel: Genau. Es sollte in einer klaren leichten Sprache kommuniziert werden. Man sollte auch immer wieder nachfragen, ob der Gegenüber das Gesagte verstanden hat, und Raum lassen für Rückfragen. Es gibt dazu ein schönes Fallbeispiel: Stellen Sie sich vor, ich wäre Ihre Chefin und würde Ihnen fünf Seiten zum Lesen auf den Platz mit der Aufforderung: „Lies mal drüber!“ legen. Was würden Sie dann tun? Der eine würde nach Rechtschreibung und Grammatik schauen und auch neue Formulierungen dazuschreiben. Jemand anderes würde nur über den Text lesen und dann sagen, ob er passt oder nicht passt. Es gibt also viele verschiedene Interpretationen. Die Verantwortung der Führungskraft ist es, ganz klar zu kommunizieren.

Gehören für Sie Gestik und Mimik dazu, wenn wir über die Sprache von Führungskräften reden?

Seidel: Ich halte nichts davon, künstliche Gesten zu machen. Denn eigentlich kommt die Gestik und Mimik automatisch, wenn wir sprechen. Manche Gesten sind aber – genauso wie das Sprachmuster – geprägt worden. Und wenn es zum Beispiel Menschen gibt, die immer nur große Gesten oder immer nur kleine Gesten machen, dann kann man das schon trainieren, mehr in die eigene Natürlichkeit zu kommen. Ziel ist es dann, ein Gefühl zu bekommen, damit Gestik und Mimik wieder authentisch zum Gesagten passen. Es passiert aber selten, dass Führungskräfte daran arbeiten müssen. Die machen das meistens automatisch schon richtig.

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