Christian Niederhagemann, CIO der GEA Group AG, während seines Vortrags auf dem Maschinenbau-Gipfel 2021

Sprach live auf dem Maschinenbau-Gipfel 2021: Christian Niederhagemann, CIO der GEA Group AG. - (Bild: Anna McMaster)

Wie soll eine moderne IT in fünf Jahren aussehen? Christian Niederhagemann, CIO der GEA Group AG, geht von einem zunehmend starken Wandel in der IT aus und sieht dringenden Handlungsbedarf für die Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau. Zum einen werden Operations Technology und IT weiter zusammenschmelzen. Zugleich wandern immer mehr Aufgaben von der IT in Form von Services in die Fachabteilungen, ist sich Niederhagemann sicher. Anders als früher rede man nicht mehr über Geld in der IT, denn IT sei heute klar wettbewerbsentscheidend. „Ist der Geschäftsführer in der Lage, auch die Rolle des IT’lers und des Chief Digital Officer einzunehmen?“: Mit dieser Frage müssten sich jetzt auch selbst Mittelständler auseinandersetzen, denn IT-Knowhow  wird aus Sicht von Niederhagemann in den nächsten fünf Jahren deutlich stärker Einzug in die Unternehmensführung halten. Dazu gehöre vor allem das Verständnis, was es bedeutet, mit Daten Geld zu verdienen.

Auch eine andere Form der Zusammenarbeit  zwischen IT und Fachabteilungen sei gefragt, das klassisch beauftragte Plan, Build, Run von Software im stillen Kämmerlein gehöre der Vergangenheit an. Der nötige Kulturwandel sei allerdings nicht ein zwei Jahren erledigt. „Deshalb jetzt schnell die Beine in die Hand nehmen und den Mindset-Wandel hinbekommen“, rät der CIO. Das gelte vor allem, weil angesichts eines massiven Expertenmangels das benötigte Know-how perspektivisch schlicht nicht für alle verfügbar sei.

Warum Blockchain eine Vertrauenstechnologie für die spanende Fertigung ist

Matti Maier, Business Development Manager, c-Com GmbH aus der Mapal Gruppe, berichtete über den Einsatz der Blockchain-Technologie im Maschinen- und Anlagenbau. Die Distributed Ledger-Technologie kann zum Beispiel in Kombination mit Smart Contracts neue Geschäfts- und Abrechnungsmodelle in Anwendungen der Zerspanung befördern, Stichwort Pay per Use.

Durch das Hinterlegen von Regeln, können unter anderem bestimmte Bezahlvorgänge geregelt werden: Zum Beispiel, wenn ein Werkzeug hundert Mal genutzt wird, soll der Hersteller Betrag x bekommen. Mapal hat sich vor allem mit Private und Permissioned Blockchain beschäftigt, mit denen Unternehmen entlang einer Zulieferkette vertrauliche Daten sicher verschlüsselt austauschen können.

Mit der eigenen, offenen und globalen Blockchain-Lösung ist man zufrieden. Allerdings fehle es in  fast allen Partnerunternehmen an Wissen zur Blockchain, auch die vielen geschlossenen Ökosysteme bei vielen Anbietern seien ein Nachteil, sagt Maier.

Die Technologie lohne sich zudem nicht überall: „Wenn man seinen Partnern blind vertraut, braucht man keine Blockchain. Das lohnt sich zum Beispiel bei Lieferketten über mehrere Ebenen, wo nicht alle Partner bekannt sind“, erklärt Maier. Zudem müsse eine eindeutige Identifizierung und Tracking-Möglichkeit zum Beispiel eines Werkzeugs gegeben sein. Im Pay-per-Use-Modell werden zum Beispiel die Abnutzung und der Verschleiß eines Werkzeugs während der Verwendung in der Maschine berechnet und abgerechnet.

Matti Maier sieht für die Branche viel Potential der Blockchain-Technologie: „Anstatt anderen Menschen zu vertrauen, vertraut man auf Technologie und Mathematik“. Die Unveränderbarkeit schütze vor Manipulation, vor allem auch über Ländergrenzen hinweg. Sie sorge für Kostenreduktion und hohe Datenqualität und eigne sich auch für Use Cases wie die Verfolgung von Gütern in der Logistik oder Freigabe- und Abnahmeprozesse von Maschinen, Komponenten, Werkzeugen, Prozessen oder Zeichnungen.

OPC UA und umati auf dem Weg zu globalen Standard

Der VDMA hat sich in den letzten Jahren besonders stark darum bemüht, mit OPC UA einen Standard für die Maschinenkommunikation in der Industrie (4.0) zu etablieren. OPC UA for Machinery trägt zur Harmonisierung bei, denn jede Maschine kann sich mit dem gleichen Vokabular identifizieren, sogar herunter gebrochen bis auf die Komponente. Dafür müssen aber alle Domänenexperten, von denen es im Maschinen- und Anlagenbau viele gibt, beispielsweise aus Spritzguss oder Robotik, ihre spezifische Terminologie einbringen, erklärt Andreas Faath, Head of Industrial Interoperability beim VDMA.

Mit umati als gemeinsamer Sprache soll Plug-and-Play von Maschinen vereinfacht werden. Nach wie vor gibt es nicht wie beim USB-Standard ein paar große Hersteller, die das Thema treiben, sondern die gesamte Industrie ist gefragt, erklärt Dr. Alexander Broos, Leiter Forschung und Technik beim VDW Verein deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.: „Umati ist dafür da, die Standards in die reale Umsetzung zu bringen“. Dafür müssten Kräfte weiter international gebündelt werden. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass es von allein gelingt, die Weltsprache der Produktion voranzubringen“, so Broos. Immerhin sind bald 200 Partner in der umati-Community aktiv.

Unter https://umati.app ist ein Demonstrator zu finden, an dem man sich ansehen kann, wie umati funktioniert: Dabei funken unterschiedliche Maschinen verschiedener Hersteller aus vielen Ländern  im selben System und sind miteinander verbunden. „Eine offene Schnittstelle nutzt uns nur, wenn sie global und bekannt ist. Wir müssen es schaffen, dieses Ökosystem in die Welt zu bekommen“, meint Broos. Dabei ist jedes Unternehmen im Maschinenbau gefragt.

Digitale Geschäftsmodelle haben noch Luft nach oben

Die Saalumfrage zeigt, dass die Branche bei digitalen Geschäftsmodellen wie Production-as-a- Service und Equipment-as-a Service noch zurückhaltend ist. Ein Drittel plant in den nächsten ein bis drei Jahren solche Service-Modelle aufzubauen, ein weiteres Drittel hat noch keine Entscheidung getroffen, das letzte Drittel hat diesbezüglich keine Pläne. Dabei gibt es Analysen zufolge ein Potenzial von sechs Milliarden Euro und ein Wachstumspotenzial von 10 Prozent pro Jahr, das mit digitalen Services zu heben ist, gibt Susanne Drexl-Wittbecker, Partner & Head of Engineering Performance & Innovation Management bei der MHP Management- und IT-Beratung GmbH, zu bedenken.

„An Services wird oft aus technologischer Sicht und weniger aus Sicht des Kunden heran gegangen“, stellt Drexl-Wittbecker fest. Dabei gehe es vor allem darum, was dem Kunden etwas wert ist, wofür er bereit wäre, Extra-Geld auszugeben. Meist sind es Modelle, bei denen das Produkt nicht mehr zu Beginn bezahlt wird, sondern in Form von Nutzungsgebühren.

Über Partnerökosysteme könne der Einstieg erleichtert werden, ist man sich bei MHP sicher. Darüber könnten für das einzelne Unternehmen schwierig zu stemmende Herausforderungen wie Finanzierungsmöglichkeiten, Performance-Garantien und Abrechnung gestemmt werden. Aus Sicht von Drexl-Wittbecker müssen solche Themen heute in jeden neuen Produktentstehungsprozess einfließen.

Alles Wichtige zum Maschinenbau-Gipfel 2021

Impressionen von der Veranstaltung finden Sie in unserer Bildergalerie und auf unseren Social Media Kanälen (LinkedIn | Twitter). Wenn Sie wissen wollen, wer den Preis deutscher Maschinenbau gewonnen hat, klicken Sie hier. Und welches junge Unternehmen den Start-up Award erhalten, erfahren Sie in diesen Artikel.

Natürlich war auch inhaltlich viel los, es wurde über Politik diskutiert und über die aktuellsten Themen der Branche. Hier ein paar Empfehlungen zum Nachlesen.

Aus der Politik:

Zu den Fokusthemen:

Wer lieber hören statt lesen mag, dem sei unser Podcast Industry Insights empfohlen. In einer Sonderfolge zum Gipfel haben Julia Dusold und Anja Ringel mit VDMA-Präsident Karl Haeusgen gesprochen. Und zwar darüber, was die Branche momentan bewegt - von Lieferengpässen, über die Erwartungen an die Politik, hin zu Nachhaltigkeit. Hören Sie rein!

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